Samstag, 22. November 2014

Surfin' Santa Cruz


Auf den Felsen, die in den Pazifik hineinragen steht ein Zaun. Und hinter dem Zaun steht ein Schild auf dem darauf hingewiesen wird, dass seit 1965 bereits 92 Menschen an der Küste von Santa Cruz ertrunken sind. Zwei Jugendliche in eng anliegenden Ganzkörperschwimmanzügen, die Surfbretter unter den Arm geklemmt, klettern behände über den Zaun, laufen zur Spitze des Felsen und klettern hinunter. Dann ein Sprung ins Wasser. Sie paddeln auf ihren Brettern und warten auf die perfekte Welle. Plötzlich tost das Meer und eine riesige Schaumkrone kracht gegen die Klippen. Auf ihrem Kamm, am Felsen vorbei, reitet die junge Frau auf ihrem Surfbrett. Es sieht fantastisch aus!



Surfen war für mich immer der Inbegriff Kaliforniens, so wie die endlose Sonne und lange weiße Sandstrände. Allerdings sieht die Realität etwas anders aus: Viele Küstenstrecken am Pazifik bestehen aus Felsen, Sand befindet sich eher in Buchten, manchmal nur sehr kleinen, manchmal größeren, wie beispielsweise in der Santa Cruz Bay. Die Sonne scheint vielleicht in LA zuversichtlich, aber in Zentral- und Nordkalifornien ist nur der Herbst verlässlich sonnig, wohingegen der Sommer oft neblig und vergleichsweise kalt daherkommt. Und auch das Surfen stammt nicht aus Kalifornien, sondern aus Hawaii. Aber zumindest ein Klischee hat sich bei meinen Beobachtungen bestätigt: Vor allem die jüngeren Surfer, manche noch halbe Kinder, sind braungebrannt, gut gebaut und haben meist lange, sehr blonde Haare. Aber da das Surfen in Kalifornien bereits eine lange Tradition hat, gibt es eben auch die Großväter dieses Wassersports, die immer noch wellenreiten.



Bei unserem Besuch in Santa Cruz Ende Oktober, haben wir stundenlang zugeschaut, so fasziniert waren wir. An einem Wochentag außerhalb der Saison, als der Vergnügungspark müde am leeren Strand lag, kletterten nach und nach immer mehr junge und alte Surfer, Männer und Frauen, über den verbotenen Zaun und begaben sich ins Wasser. Es war wie die tägliche Verabredung nach der Schule oder die Afterhour nach dem Bürojob. Am Nachmittag trafen sich die Surfer von Santa Cruz bis es fast zu voll im Wasser wurde. Eine engagierte Mutter feuerte die Schüler an. Daneben Gedenktafeln und -Schilder für die Menschen, die hier ertrunken waren, einer unter ihnen wurde nur 24, ein anderer 56 Jahre alt.


Auf diesem Schild stehen die wichtigsten Surfing-Regeln:
Der erste Surfer auf einer Welle hat immer Vorfahrt.

Gleich neben dem Verbotsschild, das außer uns niemand beachtete, steht das erste Surfmuseum der Welt. Eingezwängt in das Sockelhaus eines niedrigen Leuchtturms ist es bestimmt auch das kleinste Museum der Welt. Und da der Eintritt nichts kostet, auch relativ gut besucht! Hier lernten wir, dass das Surfen von drei hawaiischen Prinzen im Jahr 1885 nach Santa Cruz, Kalifornien, gebracht wurde. Die drei Hoheiten waren eigentlich zum Studieren gekommen, aber in den Ferien surften sie auf langen schweren Planken, die sie sich aus Redwood-Holz in einem Sägewerk hatten zurecht schneiden lassen, in der Mündung des San Lorenzo River. Sie standen noch ziemlich steif auf ihrem Brett, denn das schwere Holz hatte nichts von der Beweglichkeit der heutigen Surfbretter. Noch einmal 40 Jahre vergingen, bevor der hawaiische Olympia-Schwimmer Duke Kahanamoku 1925 den Surf-Sport durch seine Show in den Wellen von Santa Cruz einem größeren Publikum bekannt machte.



Surfbretter der ersten, zweiten und dritten Generation kann man im Surfing Museum sehen.



Der Santa Cruz Surfing Club 1941 mit langen Brettern. Foto: Santa Cruz Surfing Museum.

Aber erst in den 1930ern wurde das Surfen von der Jugend von Santa Cruz aufgegriffen. 1936 gründeten ein paar Schuljungs den "Santa Cruz Surfing Club". Da es natürlich keinen Surfshop weit und breit gab, stellten die jungen Männer ihre Bretter selbst her. Sie waren lang und schwer und nicht gerade leicht zu manövrieren. In den 1950er Jahren war das Surfen in Kalifornien bereits die angesagteste Wassersportart. An dem Klischee, dass die Studenten in Santa Cruz mehr surfen als lernen, ist sicher etwas dran. Nicht umsonst haben schon die Beach Boys davon gesungen. Ende der 1950er, Anfang der 1960er hatte sich mit der Surf-Musik und etlichen Filmen sowie eigenen Zeitschriften bereits eine komplette (Jugend-) Kultur um die Sportart entwickelt.


Neoprenanzüge und Kunststoffbretter machten das Surfen zu dem,
was es noch heute ist. Foto: Santa Cruz Surfing Museum.


Als dann in den 1960ern und 70ern mehr mit Kunststoff experimentiert wurde, entstanden die Formen von Surfbrettern, wie sie auch heute noch verwendet werden. Sie sind relativ kurz, vergleichsweise leicht und mit einem Seil ("leash") am Bein des Surfers befestigt, so dass sie in den Wellen nicht davon schwimmen. So wurden die heute so kunstvoll betriebenen schnellen Wendungen erst möglich. Mit der Entwicklung der Neoprenanzüge, konnten sich die Surfer auch länger im kalten Wasser des Pazifiks tummeln, das sich eigentlich nie mehr als 16 Grad Celsius erwärmt - zumindest in Santa Cruz. An diesem Oktobernachmittag machten wir Zuschauer jedenfalls eher schlapp als die jungen und alten Surfer.



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