Freitag, 26. Dezember 2014

Das schönste Fest im Jahr

Helenes größter Wunsch: ein Nussknacker! Foto: R. Dunham.

Gegen das große Heimweh aller Deutschen im Ausland am Weihnachtsfest habe ich vorgebeugt. Ich bin einfach am 1. Advent aus Kalifornien wieder nach Hause geflogen. Trotzdem konnten wir dieses Jahr den Advent wenig genießen. Zu viele organisatorische Probleme musste ich bewältigen und konnte mich nicht so hingebungsvoll mit der Tochter den Festtagsplanungen widmen, wie ich es wollte. Am letzten Tag des Weihnachtsmarktes waren wir dann aber doch noch einmal auf dem historischen Marktplatz Leipzigs. Und an Heilig Abend haben wir es wundersamerweise noch geschafft, die Weihnachgtsdekoration hervorzukramen. Der Mann, frisch aus San Francisco eingeflogen, hat außerdem auch den Tannenbaum aufgestellt, so dass es sooooo gemütlich bei uns wurde, wie wir es erhofft hatten.

Die Bilder sind ein Willkommensgruß der Heimat und gleichzeitig ein Einblick in dieses schönste Fest des Jahres in deutscher Ausprägung für alle internationalen Mitleser.



Leipziger Weihnachtsmarkt, links die Thomaskirche, in der J.S.Bach wirkte.




Selbstgebackener Lebkuchen.



Im Dunkeln strahlt der Stern! Die neogotische Peterskirche am Heilig Abend.

Pyramide mit Engeln aus dem Erzgebirge.

Unseren schlichten Tannenbaum ...

... zieren in diesem Jahr auch amerikanische Candy Canes.
Die kommen laut Wikipedia ursprünglich aus Köln, also Deutschland!




Freitag, 19. Dezember 2014

Auf der Reise

Welches Kind gehört zu welchem Koffer?
Helene auf dem San Francisco International Airport.

Fast drei Wochen sind die Tochter und ich in Deutschland. Angekommen sind wir noch lange nicht. Wir befinden uns vielmehr auf einer Reise in unser neues altes Leben. 

Die Flugreise und die Begleitumstände (Nachtflug und daraus resultierender Schlafmangel plus Mörder-Jetlag) sind überwunden. Für die erste Woche hatte ich glücklicherweise die Großeltern reserviert und die Uroma hat uns bei sich aufgenommen. Das machte die ersten Tage aushaltbar. Wirklich herausfordernd wurde es erst als wir in unsere Wohnung in Leipzig zurückkehrten. 

Dabei bin ich von vielfältiger Seite vor dem "re-entry culture shock" gewarnt worden. Also davor, dass man sich in seinem alten Zuhause nicht mehr wohlfühlt, weil man in einer fremden Kultur gelebt hat, die einem vertraut geworden ist. Doch dieses Phänomen kann ich bei mir nicht feststellen. Vielleicht war ich nicht lang genug weg, vielleicht kommt der Schock erst nach einer gewissen Zeit (war ja in Amerika am Anfang auch rosig bevor die Enttäuschungen und Frustationen einsetzten). Vielleicht bin ich auch nur so komplett eingenommen von den alltäglichen Anforderungen, dass ich keine Zeit habe zum Grübeln. Nur leider bin ich auch bereits voll am Anschlag. Noch ein Ding und ich falle tot um, oder so.

Aber der Reihe nach: Wie gesagt war am Anfang die Schlaflosigkeit ein großes Problem. Gleichzeitig war ich aber so angetan davon, nach Hause zu kommen, dass ich alles euphorisch begrüßte, sogar den ersten Frost mit seinem eisigen Wind. Wirklichen Sonnenschein haben wir seit unserer Ankunft dagegen nicht gesehen. Der graue und dunkle Dezember ist ein schlechter Monat, um positive Gefühle für Deutschland zu entwickeln! Meine kalifornischen Rest-Sonnenstrahlen reichten etwa 14 Tage, um mein Gemüt aufzuhellen. Inzwischen ist dieser Lichtpuffer längst aufgebraucht. Insgesamt fühlt es sich an, als wären wir gar nicht weggewesen. Denn auch bei unserer Abreise Anfang Februar war es grau und eisig und es schneeregnete. Das Zuhause meiner Oma ist außerdem zeitlose Heimat schlechthin. Und auch in unserem Haus in Leipzig ist die Zeit schon lange stehen geblieben.

Wir hatten wunderbarerweise ab der zweiten Deutschlandwoche einen Kindergartenplatz für Helene ergattert. Aber die Erleichterung, die ich mir daraus erhoffte, lässt auf sich warten. Wir haben noch nicht einmal richtig mit der Eingewöhnung begonnen! (Erst weil wir ohne ärztliches Attest nicht ins Haus durften, dann weil Helene krank geworden ist und nun weil eben kurz vor Weihnachten gar nichts mehr geht.) Anstatt also mein Kind wenigstens am Vormittag im Kindergarten abzugeben, damit ich mich anderen Aufgaben zuwenden kann, trabe ich mit der Tochter zusammen dorthin. Alles -  Termine wahrnehmen, Telefonate, E-Mails-Schreiben und An-Wichtiges-Denken  - muss ich danach machen, während das Kind um mich herum spielt. Denn unsere Dreijährige ist so anhänglich als wäre sie gerade neun Monate alt. Wenn sie mich fünf Minuten lang nicht sieht, ruft sie: Mama, ich bin hier! Oder trägt mir einfach ihr Spielzeug hinterher und lässt sich da nieder, wo ich gerade beschäftigt bin, bis hin zum Klo. Dass ich mich dabei nicht auf Behördenanrufe konzentrieren kann, sollten mindestens alle Eltern nachvollziehen können.

Und dabei habe ich eine unendlich lange Liste abzuarbeiten, von der ich bereits im Ausland alles getan hatte, was möglich war. Und nichts davon scheint einfach mal ohne Probleme zu funktionieren: Krankenkasse suchen, Versicherungen neu abschließen, Auto kaufen, Arztbesuche etc. Ach nein, doch: Mit unseren Untermietern hatten wir Glück. Unsere Wohnung haben wir in einem akzeptablen Zustand vorgefunden. Eine der Damen hat mit uns noch für zwei Wochen die Wohnung geteilt und das verlief angenehm. Aber auch da muss ich Bürokram erledigen (Wohnungsübergabe, Zählerstände ablesen und melden usw.).

Und bei alledem ist ja der Mann weit weg. Die Tochter vermisst den Papa und ich habe die Schnauze davon voll, rund um die Uhr für alles allein verantwortlich zu sein. Dann noch Altlasten und Ärger in den USA, der an den Nerven zehrt! Da fehlte mir nur noch, dass ich mir den Fuß verstauche! Nun humpel ich durch die Gegend und kann wirklich nur das Allernötigste tun. Und unsere Wohnung ist ja noch lange nicht das Zuhause, das wir verlassen haben: Kisten müssen ausgepackt werden, Neuanschaffungen sind erforderlich (die man vor einem Auslandsaufenthalt natürlich aufschiebt) und die Koffer aus Kalifornien sind auch noch nicht vollständig geleert.

Das Ankommen dauert also. Und für die ach-so-besinnliche Weihnachtszeit habe ich gar keine Zeit. Dabei wollte ich den Advent ja um  alles in der Welt Zuhause verbringen! Aber ich komme gar nicht zur Ruhe, innerlich und äußerlich. Geschenke gibt es dieses Jahr jedenfalls keine von mir, ich komme nicht dazu, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Auch sind die Treffen mit Freunden noch spärlich gesät. Dass die sich nicht genug für das interessieren, was wir in Kalifornien erlebt haben, so wie es die Kulturschock-Theorie besagt, habe ich deshalb noch gar nicht austesten können. (Und ich habe ja auch vorgebeugt, indem ich den Blog geschrieben habe.)  Aber vielleicht ist dieses Straucheln, die Erfahrung, dass Nichts, aber auch gar Nichts glatt läuft bei unserer Ankunft, ja auch schon Teil des Schocks. Vielleicht bin ich bereits genug frustriert. Nur habe ich das bisher nicht auf Deutschland geschoben, sondern auf die für mich unglücklichen Umstände.




Samstag, 29. November 2014

Good bye San Francisco Bay!


Zeugnis deutscher Geschichte:´Ossi-Gaststätte "Walzwerk" in San Francisco.

In 24 Stunden sitze ich mit unserer Dreijährigen im Flieger gen Osten. Zeit für einen finalen Blogeintrag aus Amerika! Unsere letzte Woche in Kalifornien hat uns noch einmal mit allerschönstem Sonnenschein verwöhnt! Wir haben Abschied genommen, von den uns vertraut gewordenen Menschen und Gegenden. Ein Höhepunkt war die Fahrt mit der Fähre von San Francisco nach Oakland. Bei unserem ersten Besuch in der City wollten wir ursprünglich die San Francisco Bay mit der Fähre überqueren. Da war es geradezu symbolisch, dass wir bei unserem letzten Besuch im Sonnenuntergang San Francisco mit dem Boot in Richtung Osten verlassen haben!
Helene hat sich von ihrem Tagesvater und ihren Freunden dort verabschiedet. Wie aufgeregt unsere Tochter dem Rückflug und unserer Ankunft in Deutschland entgegenblickt! Sie kann gar nicht mehr richtig schlafen ... Auf der anderen Seite ist sie gestern mitten in der Nacht aufgewacht und hat geweint: "Ich will hier bleiben." Sie hat ja fast ein Drittel ihres Lebens in Berkeley verbracht und fühlt sich hier mehr zu Hause als wir!
Ich bin ein letztes Mal im Botanischen Garten spazieren gegangen und habe nach dem Stress der letzten Wochen noch einmal aufgeatmet. Die Sonne tut meinem Gemüt so gut! Meine Freundinnen habe ich ein letztes Mal umarmt - ich hoffe, Ihnen noch einmal zu begegnen (und bei manchen ist das zum Glück gar nicht so unwahrscheinlich).

Gerade knistert ein Feuer im Kamin. Wir saßen davor und jedes Familienmitglied hat noch einmal erzählt, was ihm hier besonders gefallen hat: Helene waren ihre Freunde besonders wichtig (und das Spielzeug, das sie hier vorgefunden hat). Ich habe mich besonders an dem Garten vorm Haus gefreut, einem kleinen verwunschenen Ort, und an der sagenhaften Landschaft. Der Mann fand es besonders schön, dass wir ihn nach Kalifornien begleitet haben und wir dieses Abenteuer miteinander geteilt haben. Wie wahr! Es war herausfordernd, manches Mal nervig, aber oft wunderschön. Unser Aufenthalt hat uns einen anderen Blick auf die Welt gegeben, uns inspiriert. Vor allem haben uns die zehn Monate Amerika aber als Familie mehr zusammengeschweißt.

Leb wohl, Berkeley. Good bye San Francisco Bay!


Blick aufs Golden Gate: Angler am Hafen von Berkeley,


Goldener Sonnenuntergang über der Bay: Pier in Berkeley.


"Die Sonne ist meine Freundin und lacht mich immer an.", sagt Helene.


Dämmerung am Pier von Berkeley, San Francisco im Hintergrund.


Touristenbild vor der Oakland-Bridge in San Francisco.


SF-Panorama: Oakland-Bridge, Financial District und Coit-Tower.


Segelglück in der San Francisco-Bay.


Wir waren hier!


Abschied von San Francisco ...


... mit der Fähre fahren wir gen Osten.


Oakland-Bridge und Treasure-Island, im Hintergrund die Richmond-Bridge.


Zwei Brücken: Oakland- und Golden Gate Bridge (hinten).


Wahrzeichen von Oakland: die großen Kräne des Hafens.

Letztes Familienbild. Foto: Unbekannte Passagierin.


Containerschiff im größten Hafen der Westküste und dem viertgrößten der USA.




Von der City trennt uns nur das Wasser.


San Francisco und seine zwei großen Brücken: Oakland- und Golden Gate-Bridge.


Vater und Tochter genießen die kalifornische Sonne.





Sonnenuntergang am Golden Gate ...

... und über San Francisco.




Blick von Berkeley Hills auf die Dämmerung in San Francisco.




Donnerstag, 27. November 2014

Thanksgiving


Ein Thanksgiving-Baum mit Danksagungen, die Passanten geschrieben haben.

Vollgestopft und erschöpft kommen wir gerade von unserem Thanksgiving-Essen. Bei dem amerikanischen Familienfest hatten wir netterweise eine Vielzahl von Einladungen, was uns natürlich geschmeichelt hat. Die erste Einladung erhielten wir von den Eltern von Helenes Freund Tayo, und sagten prompt zu. Das war ein besonders schöner letzter Höhepunkt vor unserer Abreise!

Thanksgiving ist das amerikanischste aller Feste. Zwar hat es etwas entfernt mit dem europäischen Erntedankfest zu tun. In Amerika wurde es aber von den Pilgervätern zusammen mit Indianern zum ersten Mal 1621 gefeiert, um ihre Ankunft in der Neuen Welt zu feiern. Auf dieses Fest bezieht sich das heutige Thanksgiving. Bereits vorher wurden einzelne ähnliche Feste begangen, an denen die Kolonialisten für die überstandene Überfahrt dankten. 1789 machte Präsident George Washington Thanksgiving zum nationalen Feiertag. Heute fällt der Festtag immer auf den vierten Donnerstag im November und läutet die Holiday Season ein, wo auch Weihnachten und das jüdische Hanukkah dazu gehören.

Die religiösen Bezüge sind je Familie verschieden. Und meiner Einschätzung nach lässt sich Thanksgiving auch wunderbar in jede Religion einbinden. Es passt also bestens in dieses multikulturelle Land, das manchmal eine recht homogene Kultur entwickelt, wie eben Thanksgiving. Heutzutage reisen viele Amerikaner hunderte oder tausende Kilometer, um an diesem Wochenende ihre Großfamilien zu sehen. Anscheinend gehört es aber auch zum Fest, Freunde einzuladen, wodurch sich Thanksgiving von dem deutschen Weihnachten unterscheidet, das bei uns das wichtigste Familienfest ist.

Festliche Tafel für das Familienfest.

Helene und ihr Freund Tayo (rechts) warten aufs Essen.

10 Kilo-Truthahn und Gravy (Bratensauce).

Pumkin-Pie und andere Nachspeisen.

So landeten wir also in einem wunderschönen, bunten Haus in den Berkeley Hills, eingerichtet im Ethno-Stil Südamerikas. Da wohnen die Großeltern von Helenes Freund, die uns mit willkommen hießen. Am frühen Nachmittag trudelten die Gäste ein, die Kinder spielten, die Erwachsenen tranken Wein und der Truthahn brutzelte seit vormittags halb zehn im Ofen. Da Tayos Vater gelernter Koch ist, teilte er sich die Küchenhoheit mit seiner Schwiegermutter. An Thanksgiving gibt es neben dem Riesen-Vogel noch Kartoffelbrei, Stuffing (das, was vorher im Tier drin war), Gemüse, Süßkartoffeln, Cranberry-Sauce und Gravy (Bratensauce des Truthahns). Zwei der Kinder durften den getrockneten "wishbone" (Wunsch-Knochen) des Truthahns brechen und da  beide Teile gleich lang waren, sollen ihre beiden Wünsche in Erfüllung gehen. Das Dankgebet bzw. die Danksagung, bei der sich alle an den Händen halten, verlief eher kurz, wurde aber mehrmals wiederholt. Diese Tradition unterscheidet sich in Feinheiten von Familie zu Familie.

Danach reichten wir Teller voller Köstlichkeiten herum (und mein mitgebrachtes Sauerkraut erhielt auch einiges Lob). Am Ende ist es eben doch ein Fest des Essens, Redens und sich-irgendwann-total-vollgestopft-Fühlens. Beim Pumkin-Pie (Kürbiskuchen) mit Eis und Schlagsahne habe ich aufgegeben! Aber zu Thanksgiving gehören eben auch die enormen "leftovers" (Reste), die sich jeder mitnimmt und von denen man noch eine Weile zehren kann. Denn Truthahn gibt es schließlich nur das eine Mal im Jahr!

Ich habe mir sagen lassen, das viele Amerikaner am Tag nach Thanksgiving den Weihnachtsbaum aufstellen. Zumindest startet traditionell die Weihnachtsverkaufssaison an dem sogenannten "black friday" und die Geschäfte geben an diesem Tag besonders hohe Rabatte (aber natürlich gibt es schon seit Wochen Lebkuchen und Zuckerstangen in den Läden). Die Weihnachtsbeleuchtung wurde jedenfalls bereits Anfang Oktober bei 35 Grad Celsius in den Einkaufsstraßen von Berkeley angebracht.


Dienstag, 25. November 2014

Der Traum von der Green Card


Glitzer-Sticker für Amerika-Fans: USA - Land, das ich liebe ...

Als mein Mann vor einem guten Jahr die frohe Botschaft über sein Stipendium für einen Forschungsaufenthalt in den USA erhielt, wussten wir relativ wenig über die bürokratischen Hürden, die auf uns zukommen würden. Als Wissenschaftler konzentrierte sich mein Mann auf die inhaltlichen Absprachen mit dem Professor an der University of California, Berkeley, mit dem er zusammen arbeiten würde. Von Anfang an war klar, dass wir ihn als seine Familie begleiten würden, wir wussten nur noch nicht, wie lange. Da das Stipendium der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) glücklicherweise auch für unsere Flüge aufkommt, war der Rahmen von mindestens sechs Monaten vorgegeben (denn das war die Bedingung für die Kostenübernahme für Familienmitglieder). Schließlich entschlossen wir uns, das Abenteuer von Anfang an gemeinsam zu erleben. Ich war als Ehefrau die Begleitung und recht ahnungslos über meine Möglichkeiten. Jetzt, wo wir in wenigen Tagen das Land verlassen, bin ich um einiges klüger. Und ich wünschte, ich hätte manche Dinge bereits vorher gewusst!

Die wichtigste Erkenntnis: Ab sofort war ich abhängig von meinem Mann. Ich bekam ein von dem Visum meines Mannes abhängiges Visum. D.h. ich habe nur eine Aufenthaltserlaubnis, so lange sich mein Mann in den USA aufhält. Mein Hauptzweck ist, meinen Mann zu begleiten und zu unterstützen. Das ist zwar schön und gut, nur kann man dabei schnell versauern, wenn man (bzw. frau) daneben nicht noch eine andere sinnvolle Aufgabe findet. Die Sorge um unsere Tochter teilte ich mir nach zwei Monaten mit einem Tagesvater, wo sie viel positive Anregung bekam, Englisch lernte und Spielkameraden traf. Ich hatte mir zwei Ziele im Vorfeld gesetzt: Einen Blog über unsere Erfahrungen schreiben und eine Freiwilligenarbeit finden, die möglichst meinen Lebenslauf bereichert. Ich wollte ja kein zehnmonatiges Loch in meiner Tätigkeit als Journalistin auf dem Papier sehen.

Dass ich tatsächlich die Möglichkeit hätte, arbeiten zu gehen, erfuhr ich aber leider erst, als ich bereits einige Wochen im Land war. Was viele begleitende Ehepartner nicht wissen: Bereits der Visa-Antrag entscheidet über das (Arbeits-) Leben, das man in den USA führen darf! Da unser Visa-Antrag aber etwas kurzfristig und chaotisch zwischen Weihnachten und Neujahr letzten Jahres gestellt wurde und uns außerdem das Abflugdatum Anfang Februar im Nacken saß, waren wir froh, dass wir wenigstens wussten, welches Visum mein Mann beantragen musste! Ich hatte dabei noch Glück, denn mein Wissenschaftlergatte erhielt ein J1-Visum. Das trifft vor allem für den wissenschaftlichen Austausch zu und zwingt denjenigen, der es erhält, nach dem USA-Aufenthalt mindestens zwei Jahre wieder in sein Heimatland zurückzugehen. In dieser Zeit ist unter normalen Umständen auch keine erneute Einreise in die USA erlaubt. (Und, da ich ja abhängig bin, trifft das auch für mich zu!) Immerhin soll die in den USA gewonnene Erkenntnis zurück ins Heimatland gebracht werden, von dem ja auch unser Aufenthalt bezahlt wird. 

Wir waren geschockt, denn als Wissenschaftler ist es durchaus üblich, von einem Land ins nächste zu gehen, und nicht zwangsläufig nach Deutschland zurückzukehren. Das ist aber nicht erlaubt. Möchte man nach Ablauf des J1-Visums weiterhin in den USA arbeiten, kostet das rund 250.000 Dollar für eine Verzichterklärung von Seiten der USA. Mein Mann erfuhr, dass wir auch in diesem Punkt Glück haben, denn der Geldgeber kann einen Stipendiaten genauso freistellen und die DFG ist in diesem Punkt sehr kooperativ.

Mein Visum nennt sich wegen der Abhängigkeit J2 und es gibt mir die Möglichkeit, neben der Unterstützung meines Mannes, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, wenn ich einmal in die USA eingereist bin. Der Antrag ist natürlich bürokratisch und nicht ganz leicht zu verstehen. Die Bearbeitungszeit beträgt im Schnitt drei Monate und in dieser Zeit kann man sich dann bereits bewerben, darf aber nicht die USA verlassen. Man bekommt die Arbeitserlaubnis nur für die Dauer des Visums. Wird das Visum verlängert, muss man die Arbeitserlaubnis auch neu beantragen und jeder Antrag kostet 380 Dollar. (Ein J-Visum kann maximal auf fünf Jahre ausgedehnt werden.) Da kann man sich dann selbst überlegen, wie die Prioritäten liegen. In meinem Fall war unsere Aufenthaltszeit zu kurz, um mich nach der gewonnenen Erkenntnis mit Anträgen und Bewerbungen herumzuschlagen (außerdem sind Anstellungen in Kalifornien auch nicht so einfach zu bekommen).

Aber spinnen wir den Faden weiter und stellen uns vor, dass mein Mann ein tolles Jobangebot in den USA erhielte und seine Geldgeber auf die Zwei-Jahres-Einreisesperre verzichteten. Würden wir auswandern und mein Gatte so ein Arbeitsvisum bekommen, sähe das für mich ziemlich schlecht aus! Denn das H1B-Visum wird teuer vom Arbeitgeber bezahlt (entgegen dem kostenlosen J1-Visum, das die Universitäten bevorzugen), allerdings wird nicht für die entsprechende Arbeitsgenehmigung für die begleitenden Partner gezahlt. Mit einem H2-Visum dürfte ich überhaupt nicht arbeiten und wäre demzufolge noch viel abhängiger von meinem Mann. Mein einziger Zweck bestünde darin, zu Hause zu sitzen und vielleicht noch ein paar Babys in die Welt zu setzen! Ich denke, dass es viele unglückliche Frauen gibt, die in dieser Situation stecken, z.B. Inderinnen, die ihre im Silicon Valley arbeitenden Männer begleiten.

Es gibt noch ein paar andere Visa-Typen, die ich wegen der Kompliziertheit hier nicht näher erläutern will. Nur das Journalisten-Visum, das ich theoretisch hätte beantragen können, soll recht einfach zu bekommen sein. Vorausgesetzt, man kann einen Arbeitsauftrag von einem deutschen Medium nachweisen. 

Da die ständige Visa-Frage und Verlängerungen der Arbeitserlaubnis natürlich Nerven aufreibend werden können für den, der unbefristet hier arbeiten und leben möchte, ist das höchste Ziel, eine Greencard zu bekommen. Dann wäre auch das Problem der abhängigen Partner geklärt. Eine Greencard bestätigt den Wohnsitz in den USA mit der Absicht eine amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen und ist gleichzeitig eine unbefristete Arbeitserlaubnis. 

Allerdings dürfen im Jahr nur eine bestimmte Anzahl an Greencards zugelassen werden, um - böse gesagt - die US-Bürger davor zu schützen, dass Ausländer ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Zur Zeit sind das 140.000 im Jahr, die aufgrund einer Beschäftigung eine Greencard beantragen können - und da gehören die begleitenden Familienangehörigen bereits mit dazu! Meistens ist im April das Kontingent fürs gesamte Jahr bereits ausgeschöpft. Allerdings hätte mein Mann als Wissenschaftler und obendrein Ingenieur aus Deutschland besonders gute Karten, denn diese Berufszweige werden hier bevorzugt aufgenommen. Lediglich die Kontingente der chinesischen und indischen Ingenieure werden bei der Vergabe der Greencards voll ausgeschöpft.

Der Antrag einer Greencard ist sehr kompliziert und besonders teuer: 1.070 Dollar kostet der Antrag pro Erwachsenem und immerhin noch 635 Dollar für unter 14-jährige Kinder. Soll es schneller gehen, muss man eine extra Gebühr bezahlen. Der Antragsteller muss nachweisen, dass sich sein Lebensmittelpunkt in den USA befindet. Es ist schwierig, das Land nach der Antragstellung für längere Zeit zu verlassen (was bei Wissenschaftlern durchaus notwendig sein kann). Natürlich wird gefragt, bei welcher Bank man ein Konto hat, ob die Kinder auf eine amerikanische Schule gehen, ob man einen kalifornischen Führerschein besitzt und in welchem Land man seine Einkommenssteuern zahlt. Der Arbeitgeber muss außerdem nachweisen, warum ein Ausländer besser für den speziellen Job geeignet ist, als ein US-Bürger. Es gibt Juristen, die sich ausschließlich mit solchen Anträgen beschäftigen und sie für ihre Klienten durchboxen. Einer von ihnen heißt Adam Green (nicht zu verwechseln mit gleichnamigen Sänger). Er hat an der UC Berkeley einen Kurs über Visa-Fragen für Wissenschaftler gehalten und bestätigte den Eindruck, den wir seit unserem eigenen Visa-Antrag bekommen hatten: Die USA sind kein Einwanderer-freundliches Land! "Die Amerikaner haben ein sehr kompliziertes Immigrationssystem geschaffen, von dem alle sehr frustriert sind.", sagt Adam Green. 

Man kann es zwar auch bei der Greencard-Lotterie versuchen (immerhin 55.000 Aufenthaltsgenehmigungen werden so jährlich vergeben), ansonsten ist nur die Familienzusammenführung noch eine Möglichkeit, eine Greencard zu erhalten. Dazu muss man aber einen Angehörigen haben, der US-Bürger ist. Und wenigsten erhalten auch 70.000 Flüchtlinge und 10.000 Asylanten im Jahr eine Greencard (bei über 317 Millionen Einwohnern kommt mir das nur recht wenig vor).

Die Familie zu Hause kann ich beruhigen: Wir hegen zur Zeit keine Pläne dauerhaft in die Staaten auszuwandern. Bei mir hat sich aber das Bild der USA als Einwanderungsland enorm geändert. Denn so offen uns hier (vor allem in Berkeley) die Amerikaner gegenüber sind, desto schwieriger scheint es, die bürokratischen Hürden für einen Aufenthalt in Amerika zu meistern. Ich frage mich, wie schwer es für diejenigen ist, die schlechtere Voraussetzungen als wir haben und deswegen aber umso mehr darauf angewiesen sind, in die USA einzuwandern. Auf jeden Fall zieht das Land nach wie vor die Hoffnungsvollen an. Ob sie hierbleiben dürfen, ist eine andere Frage.

Samstag, 22. November 2014

Surfin' Santa Cruz


Auf den Felsen, die in den Pazifik hineinragen steht ein Zaun. Und hinter dem Zaun steht ein Schild auf dem darauf hingewiesen wird, dass seit 1965 bereits 92 Menschen an der Küste von Santa Cruz ertrunken sind. Zwei Jugendliche in eng anliegenden Ganzkörperschwimmanzügen, die Surfbretter unter den Arm geklemmt, klettern behände über den Zaun, laufen zur Spitze des Felsen und klettern hinunter. Dann ein Sprung ins Wasser. Sie paddeln auf ihren Brettern und warten auf die perfekte Welle. Plötzlich tost das Meer und eine riesige Schaumkrone kracht gegen die Klippen. Auf ihrem Kamm, am Felsen vorbei, reitet die junge Frau auf ihrem Surfbrett. Es sieht fantastisch aus!



Surfen war für mich immer der Inbegriff Kaliforniens, so wie die endlose Sonne und lange weiße Sandstrände. Allerdings sieht die Realität etwas anders aus: Viele Küstenstrecken am Pazifik bestehen aus Felsen, Sand befindet sich eher in Buchten, manchmal nur sehr kleinen, manchmal größeren, wie beispielsweise in der Santa Cruz Bay. Die Sonne scheint vielleicht in LA zuversichtlich, aber in Zentral- und Nordkalifornien ist nur der Herbst verlässlich sonnig, wohingegen der Sommer oft neblig und vergleichsweise kalt daherkommt. Und auch das Surfen stammt nicht aus Kalifornien, sondern aus Hawaii. Aber zumindest ein Klischee hat sich bei meinen Beobachtungen bestätigt: Vor allem die jüngeren Surfer, manche noch halbe Kinder, sind braungebrannt, gut gebaut und haben meist lange, sehr blonde Haare. Aber da das Surfen in Kalifornien bereits eine lange Tradition hat, gibt es eben auch die Großväter dieses Wassersports, die immer noch wellenreiten.



Bei unserem Besuch in Santa Cruz Ende Oktober, haben wir stundenlang zugeschaut, so fasziniert waren wir. An einem Wochentag außerhalb der Saison, als der Vergnügungspark müde am leeren Strand lag, kletterten nach und nach immer mehr junge und alte Surfer, Männer und Frauen, über den verbotenen Zaun und begaben sich ins Wasser. Es war wie die tägliche Verabredung nach der Schule oder die Afterhour nach dem Bürojob. Am Nachmittag trafen sich die Surfer von Santa Cruz bis es fast zu voll im Wasser wurde. Eine engagierte Mutter feuerte die Schüler an. Daneben Gedenktafeln und -Schilder für die Menschen, die hier ertrunken waren, einer unter ihnen wurde nur 24, ein anderer 56 Jahre alt.


Auf diesem Schild stehen die wichtigsten Surfing-Regeln:
Der erste Surfer auf einer Welle hat immer Vorfahrt.

Gleich neben dem Verbotsschild, das außer uns niemand beachtete, steht das erste Surfmuseum der Welt. Eingezwängt in das Sockelhaus eines niedrigen Leuchtturms ist es bestimmt auch das kleinste Museum der Welt. Und da der Eintritt nichts kostet, auch relativ gut besucht! Hier lernten wir, dass das Surfen von drei hawaiischen Prinzen im Jahr 1885 nach Santa Cruz, Kalifornien, gebracht wurde. Die drei Hoheiten waren eigentlich zum Studieren gekommen, aber in den Ferien surften sie auf langen schweren Planken, die sie sich aus Redwood-Holz in einem Sägewerk hatten zurecht schneiden lassen, in der Mündung des San Lorenzo River. Sie standen noch ziemlich steif auf ihrem Brett, denn das schwere Holz hatte nichts von der Beweglichkeit der heutigen Surfbretter. Noch einmal 40 Jahre vergingen, bevor der hawaiische Olympia-Schwimmer Duke Kahanamoku 1925 den Surf-Sport durch seine Show in den Wellen von Santa Cruz einem größeren Publikum bekannt machte.



Surfbretter der ersten, zweiten und dritten Generation kann man im Surfing Museum sehen.



Der Santa Cruz Surfing Club 1941 mit langen Brettern. Foto: Santa Cruz Surfing Museum.

Aber erst in den 1930ern wurde das Surfen von der Jugend von Santa Cruz aufgegriffen. 1936 gründeten ein paar Schuljungs den "Santa Cruz Surfing Club". Da es natürlich keinen Surfshop weit und breit gab, stellten die jungen Männer ihre Bretter selbst her. Sie waren lang und schwer und nicht gerade leicht zu manövrieren. In den 1950er Jahren war das Surfen in Kalifornien bereits die angesagteste Wassersportart. An dem Klischee, dass die Studenten in Santa Cruz mehr surfen als lernen, ist sicher etwas dran. Nicht umsonst haben schon die Beach Boys davon gesungen. Ende der 1950er, Anfang der 1960er hatte sich mit der Surf-Musik und etlichen Filmen sowie eigenen Zeitschriften bereits eine komplette (Jugend-) Kultur um die Sportart entwickelt.


Neoprenanzüge und Kunststoffbretter machten das Surfen zu dem,
was es noch heute ist. Foto: Santa Cruz Surfing Museum.


Als dann in den 1960ern und 70ern mehr mit Kunststoff experimentiert wurde, entstanden die Formen von Surfbrettern, wie sie auch heute noch verwendet werden. Sie sind relativ kurz, vergleichsweise leicht und mit einem Seil ("leash") am Bein des Surfers befestigt, so dass sie in den Wellen nicht davon schwimmen. So wurden die heute so kunstvoll betriebenen schnellen Wendungen erst möglich. Mit der Entwicklung der Neoprenanzüge, konnten sich die Surfer auch länger im kalten Wasser des Pazifiks tummeln, das sich eigentlich nie mehr als 16 Grad Celsius erwärmt - zumindest in Santa Cruz. An diesem Oktobernachmittag machten wir Zuschauer jedenfalls eher schlapp als die jungen und alten Surfer.