Samstag, 26. April 2014

"Don't freak out!" - Leben mit der Erdbebengefahr


"Tsunami Gefahrenzone
Begeben Sie sich im Falle eines Erdbebens zu einem erhöhten Punkt oder ins Inland" 

An einem romantischen kleinen Strand, umgeben von hohen Felsen, vor uns die rauschenden Wellen des Pazifiks, steht dieses kleine Schild: Tsunami-Gefahrenzone. Und plötzlich werden wir wieder vom kalifornischen Alltag eingeholt: Das nächste Erdbeben kommt bestimmt. Kaum jemand spricht darüber. Aber in jedem offiziellen Papier, in öffentlichen Gebäuden usw. stehen Hinweise, wie im Falle eines „disasters“, z.B. eines Erdbebens, vorgegangen wird. Die nicht einschätzbare Gefahr begleitet uns und jeden, der an der Westküste Amerikas lebt.

Zur Beruhigung meiner Leser muss ich sagen, dass nicht jedes Erdbeben in einer Katastrophe endet. Die schwächsten Erdbeben spüren nicht einmal alle Menschen. Im letzten Monat bebte die Erde allein in der San Francisco Bay Area 41 mal, aber eben nur schwach. Manchmal wackelt es zwar merklich, aber es entsteht nicht wirklich ein Schaden. So war es in Berkeley zuletzt vor einem halben Jahr, am 15. Oktober 2013. Und anscheinend ist es besser, wenn es öfter mal ein kleines Beben gibt, als lange gar keines. Denn dann erhöht sich der Druck der tektonischen Platten aufeinander und entlädt sich vielleicht in einem großen Erdstoß. Leider kann auch die Wissenschaft Erdbewegungen nicht vorhersehen. Niemand weiß also, wann es das nächste Mal passiert.

Heute haben wir uns in Berkeley darüber informiert, wie man sich im Ernstfall verhalten soll. Die Stadt veranstaltete eine kleine Messe, wo Rotes Kreuz, Feuerwehr und Polizei Erste Hilfe Maßnahmen erklärten und verschiedene Organisationen Broschüren verteilten, in denen steht, was zu tun ist.

Ich unterhielt mich mit einem netten jungen Mann vom „Berkeley Disaster Preparedness Neighborhood Network“ (Berkeley Nachbarschaftsnetzwerk zur Katastrophen-Vorbereitung). Er drückte mir einige Zettel in die Hand und empfahl mir, mich beim nächsten Treffen in der Nachbarschaft zu vernetzen. Als ich ihm sagte, dass ich noch nie in meinem Leben ein Erdbeben erlebt habe, lachte er. Er konnte das kaum fassen! Er riet mir: „Don't freak out! Don't panic!“

Ich soll also nicht ausflippen oder panisch reagieren, sondern unter einen Tisch oder ein Bett kriechen und mich so vor herabstürzenden Gegenständen schützen. Und immer schön von den Fenstern fernhalten. Dann zeigte er mir noch eine Ansammlung von Dingen, die man unterm Bett verstecken sollte, falls das Beben einen nachts überrascht: Eine Taschenlampe und neue Batterien, feste Schuhe und Socken (weil man ja im Bett barfuß liegt, bei einem stärkeren Beben aber die Fenster kaputt gehen und überall Glassplitter liegen könnten), eine Notfalldecke, eine Plastikflasche mit Trinkwasser (es könnten Wasserrohre kaputt gehen), eine Staubmaske und Arbeitsschutzhandschuhe, mit denen man scharfe Gegenstände wegräumen kann, eine Trillerpfeife, um Hilfe herbeirufen zu können.

Die wichtigsten allgemeinen Maßnahmen, die jeder  tun sollte, sind: genügend Trinkwassservorräte an einem dunklen, leicht zugänglichen Ort im Haus oder Garten zu lagern, sie alle sechs Monate aufzufrischen sowie nach einem stärkeren Beben die Gas- und Stromleitungen abzuschalten, so dass kein Feuer entstehen kann (das verursachte beispielsweise bei dem großen Erdbeben 1906 in San Francisco die schwersten Schäden). Vom Handy aus darf man nur SMS an Nicht-Kalifornier versenden, um Verwandte über das eigene Befinden zu unterrichten. Telefonieren ist untersagt, um die Netze nicht zu überlasten. Als Deutscher sollte man nach einem Erdbeben (oder auch bei anderen Katastrophen im Ausland) immer mit anderen Deutschen eine Gruppe bilden. Das Auswärtige Amt und die deutschen Botschaften wissen durch die Visa, wer sich im Land aufhält, müssen nach Deutschen suchen und sie im Ernstfall außer Landes bringen.

Auf der Messe heute hatte sich auch ein Versicherungsanbieter einen Stand gesichert. Gebäudeversicherungen machen im Erdbebengebiet mal wirklich Sinn! Übrigens wurde San Francisco nach dem Beben 1906 deshalb so schnell und schön wieder aufgebaut, weil es die ersten Gebäudeversicherungen gab, und diese dann auch zahlen mussten.


In der Lawrence Hall of Science zeigen diese Bilder Kindern, dass kurz vor unserer
Haustür die Pazifische Platte und die Nordamerikanische Platte aufeinander stoßen.



Donnerstag, 24. April 2014

Essen in Amerika #2

Kalifornier geben sehr viel Geld für Essen aus - weil sie es lieben. Die so genannten "Foodies" (Feinschmecker) haben das Essen, die Zubereitung, den Einkauf der frischesten Zutaten zu ihrem Hobby oder sogar Lebensinhalt gemacht. Soll ich extra erwähnen, dass in der Bay Area vor allem "organic" (bio) und "local" (regional) eingekauft wird? Die "farmer markets", wo ausschließlich regionale Bio-Bauern verkaufen, sind hier sehr gefragt. Dort habe ich auch das erste wirklich gute Roggenbrot entdeckt (für umgerechnet 4,50 Euro!).

In Berkeley gibt es mehrere lokale Supermärkte, deren Obst- und Gemüseabteilungen riesig sind. So etwas habe ich vorher noch nicht gesehen! (Dagegen sucht man Billigketten wie Walmart hier vergebens. Gut so!) Kalifornien ist einer der größten Landwirtschaftexporteure weltweit, und etwa 90 Prozent des in den USA hergestellten Weines stammt aus Kalifornien. Wo Orangen- und Zitronenbäume, sogar Artischocken in den Gärten wachsen, ist die Auswahl an Südfrüchten riesig. Davon können wir Deutschen nur träumen.

Das Angebot in den "grocery stores" (Lebensmittelgeschäften) wird zudem von dem hohen Anteil von Einwanderern aus Mexiko und Asien beeinflusst. Mexikanische und asiatische Lebensmittel gibt es in in der San Francisco Bay Area überall, natürlich auch in dem unendlich großen Angebot an Restaurants, aber das ist ein neues Kapitel ...

Hier einige Beweisfotos aus einem kleinen Viertel in North Berkeley, wo Fleischer, Fischladen und der Monterey Market mit riesiger Gemüseabteilung Pilgerorte für die bewussten Ernährer aus Berkeley sind:















Montag, 21. April 2014

Happy Easter!


Abgesehen davon, dass in Amerika die meisten christlichen Feiertage (Karfreitag, Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingsten ...) keine arbeitsfreien Tage sind, war unser Ostern fast wie zu Hause. Nur unsere Zweijährige ist jetzt ganz neu davon überzeugt, dass der "Eierhase" (so nannte ihn Helene) wirklich um unser Haus herum gehoppelt ist, um die besten Verstecke für die Osterkörbe zu finden.

Zum Ostergottesdienst waren wir in der Episkopalkirche (hier war es feierlicher geschmückt als in der Lutherischen Landeskirche zu Hause und es wurden auch hingebungsvoller Osterlieder gesungen). Danach haben wir bei Bekannten Ostereier gesucht und uns die Zeit vertrieben. Nach drei Eiern, Unmengen von Schokolade und natürlich noch etwas Süßem war bei Helenchen ein Zuckerwutanfall Anlass, nach Hause aufzubrechen.

Dass es hier auch pinke Osterhasen gibt, habe ich bereits erwähnt, aber noch einen großen Unterschied gibt es zum heimatlichen Osterfest: In Kalifornien fehlt der zarte Frühlingsaufbruch, wie er in Deutschland meist auf Ostern fällt. Die Sonne hat bei sommerlichen Temperaturen vom blauen Himmel gestrahlt, die Kirschbäume sind längst verblüht, aber exotische Blumen glänzen in den Gärten.

Hier ein paar Fotos vom kalifornischen Ostersonntag:



























Donnerstag, 17. April 2014

Der kleine Unterschied


Vom Kulturschock im Allgemeinen habe ich bereits geschrieben. Jeden Tag fallen mir aber seit unserer Ankunft viele kleine Details auf, die das Leben hier vom deutschen unterscheiden. Die ganz auffälligen Unterschiede lasse ich an dieser Stelle mal unerwähnt, aber meinen Lesern will ich meine Beobachtungen im Kleinen nicht vorenthalten. (Manche Dinge nerven mich, andere finde ich nachahmungswert und manche sind einfach anders, als ich es gewohnt bin.)

Eine amerikanische Flagge im Vorgarten unserer Nachbarn. 

Hier eine unvollständige Liste:

Das Essen ist im Allgemeinen süßer hier. Auch die meisten Brotsorten enthalten Zucker oder Honig.

Brot ist auch luftiger und wird viel schneller hart als in Deutschland. Es ist nicht dazu gedacht, es mit Wurst und Käse zu belegen wie daheim. Eher isst man es zur Mittagssuppe. Oder man belegt sich ein Sandwich, aber dann handelt es sich meistens um (lappiges) Toastbrot.

Roggenmehl (und damit auch Roggenbrot) ist hier schwer zu finden. Die Amerikaner essen vor allem Weizen- und Maisprodukte.

Im Gegensatz zum deutschen Schweinefleisch, wird (außerhalb der Südstaaten) vor allem Rind gegessen. Denn in den USA brauchte man keine Abfallfresser wie im dichtbesiedelten Europa, und es gab natürlich im wilden Westen immer genügend Platz für Weideflächen.

Milch und vor allem Naturjoghurt enthalten in der normalen Form wesentlich mehr Fett als bei uns. Wer weniger Fett will, muss „low fat“ oder „no fat“-Produkte kaufen, bei denen wiederum der Geschmack leidet.

Beim Lebensmitteleinkauf muss ich immer sehr auf die verschiedenen Gewichts- und Flüssigkeitsmengenangaben achten. Bei Gemüse und Obst ist hier natürlich der Preis pro „pound“ (Pfund) angegeben. Das ist weniger als ein halbes Kilo, aber ich falle immer noch drauf rein und denke, das ist aber billig!

Lebensmittel sind aber um einiges teurer als in Deutschland, vor allem Grundnahrungsmittel wie Milch, Mehl und Zucker. Ich habe einige Zeit überlegt, warum. Dann ist mir ein Licht aufgegangen: Hier wird die Landwirtschaft nicht so immens subventioniert wie in der Europäischen Union! Das ist bei uns so selbstverständlich, dass es mir gar nicht mehr auffällt.

Die Mehrwertsteuer (in Kalifornien neun Prozent) wird hier erst an der Kasse zur Rechnung dazu addiert. Der Preis wird im Laden immer ohne Mehrwertsteuer ausgezeichnet. Zum Glück nicht bei Lebensmitteln, denn ich staune schon manches Mal über die Endsumme.

Wer den Bus nimmt, bedankt sich beim Aussteigen beim Busfahrer für die Fahrt. Das finde ich wirklich nett, vor allem weil ich inzwischen auch einige Busfahrer gut kenne, die regelmäßig unsere Linie durch die Berge bugsieren.

Die Amerikaner sind im Allgemeinen sehr freundlich. (Aber natürlich nicht alle, es gibt auch mal grummelige Kassierer oder schlecht gelaunte Busfahrerinnen.) Wenn man allerdings von anderen überschwenglich begrüßt wird und einem die Frage gestellt wird: „How are you doing?“, soll man nicht wirklich erzählen wie es einem geht. Man sagt entweder „Good.“ oder „Great.“ oder noch besser: „How are you doing?“ (Für mich fühlt sich das manchmal an wie Lügen, besonders wenn es mir gerade wirklich nicht gut geht. Aber ich sage trotzdem: „Good.“)

Amerikanisches Englisch ist nicht nur eine andere Sprache. Auch die verschiedenen Nuancen müssen wir, wie bei jeder anderen Fremdsprache auch, neu erlernen. Sage ich, dass ich etwas mag („I like it.“), klingt das für Amerikaner eher fad. Dagegen erscheint mir das amerikanische „I love it.“ oft schon übertrieben. Aber hier muss eben alles etwas spektakulärer sein als zu Hause. Wenn etwas toll ist, umschreibt man es am besten als „great“ (großartig), „awesome“ (fantastisch) oder „gorgeous“ (umwerfend).

Auch die Kinderunterhaltung, das Spielzeug, Süßigkeiten etc. sind hier in der Regel knalliger, bunter und lauter. Rosa Osterhasen mit Glitzer? Kein Problem! Das heißt nicht, dass es hier keine Alternativen zu dem Knalligen gibt, die sind nur schwerer zu finden. Zum Glück sticht Berkeley als liberale Hochburg und Sammelbecken für Andersdenkende auch an dieser Stelle heraus.

Wer europäische Cafés mag, wird in den USA nicht wirklich fündig. „Starbucks“ kennen wir Deutschen bereits, aber auch die lokale Variante, die Kaffeehauskette „Peet's Coffee“, unterscheidet sich nicht sehr in der Atmosphäre. Müßiggang wird in Amerika eben nicht so hoch geschätzt. Deshalb sitzen die meisten Leute im Café am Laptop oder nehmen den Kaffee gleich mit auf den Weg. „To go“ muss hier auch das Essen sein, weil Amerikaner, so haben es Will und Kendra mir erklärt, nicht gerne tatenlos sind. Essen kann man auch nebenbei. Arbeit wird zwar hoch bewertet, aber noch mehr geht es darum, immer aktiv zu sein.

Das gilt auch für die Freizeit. Deshalb arbeiten Kinder an „projects“ (obwohl sie einfach nur basteln) und viele Erwachsene treiben unermüdlich Sport.

Ich war noch nicht in den Hipster-Clubs von San Francisco, aber schaue ich die Leute auf den Straßen meines neuen Lebensmittelpunktes an, wird Kleidung hier anscheinend nicht so hoch bewertet. Sie muss meistens praktisch sein. Omas mit Turnschuhen? Männer, die auf der Arbeit Bermuda-Shorts tragen? Warum nicht! Die Kleidung ist zudem meist schlecht aufeinander abgestimmt, die Farben oder Materialien passen beispielsweise nicht zueinander. Eine Schuhverkäuferin empfahl Falk sogar, Outdoor-Sandalen zu kaufen und dann Trainingssocken anzuziehen, weil es morgens sehr kalt sein kann! Das nennt man dann "casual" (ungezwungen).

Aussehen der Person (und Arbeitszeiten) werden in Amerika viel weniger vorgeschrieben als in Deutschland, schließlich zählt das Endergebnis der Arbeit!

Obwohl die Kleidung so leger sein darf, ist es für eine Amerikanerin undenkbar, ungeschminkt aus dem Haus zu gehen. Entsprechend angemalt sehen selbst die Muttis aus, die ihre Kleinen auf den Spielplatz begleiten, und es gibt nur wenige Ausnahmen. (Ich gehöre hier ja schon längst zu den Hippies ...)

Unter den Europäerinnen, die ich in Berkeley kennen gelernt habe, herrscht die Meinung, dass amerikanische Waschmaschinen nicht viel Wert sind. „Erwarte nicht, dass die Wäsche nach dem ersten Waschen sauber ist!“, wird einem mit auf den Weg gegeben. Mehrmals waschen und dann in den Trockner, ist anscheinend der gangbare Weg. Ich hänge unsere Wäsche aber meistens auf den Balkon (Sonne gibt es kostenlos und in Kalifornien von April bis Oktober eigentlich jeden Tag). Damit reihe ich mich in die neue Bewegung der amerikanischen Ökos ein, die manche Errungenschaften in der Hausarbeit ablehnen, weil sie schlecht für die Umwelt sind.

Aber selbst wer hier Ökowaschmittel kauft oder mit Ökospülmittel putzt, wird immer von einem extremen Duft benebelt. Die Bio-Marke, die ich auch in Deutschland verwende, riecht hier wirklich penetranter! Ganz zu schweigen von den herkömmlichen Drogerieprodukten (selbst bei Baby- und Damenhygieneartikeln), aber diesen Trend gibt es ja leider auch in Europa.

Auf der anderen Seite kaufen - zumindest in der San Francisco Bay Area - wesentlich mehr Leute Bio-Lebensmittel ein. Und Bio-Supermärkte haben keineswegs diese Ausstrahlung wie in Deutschland, dass man sich etwas fremd vorkommt, wenn man nicht zum eingeschworenem Publikum zählt. Nein! Die große Bio-Supermarkt-Kette „Wholefoods“ macht aus dem ökologischen Lebensstil eine Unterhaltung, manche Filialien bieten sogar Kochkurse an. Es gibt eine Suppen- und Salatbar für Gerichte zum Mitnehmen. Sowieso ist die Auswahl riesig und der Laden für unsere Verhältnisse natürlich sehr groß. (Einen gesonderten Eintrag zu amerikanischen Supermärkten werde ich in Kürze einstellen.)

Auch in Nicht-Bio-Läden gibt es hier keine Plastikbeutel an der Kasse und schon gar nicht kostenlos. Entweder man bekommt eine braune Papiertüte für 10 bis 35 Cent oder einen wieder verwendbaren Beutel aus recycelten Materialien für einen Dollar (Stoffbeutel habe ich allerdings noch nicht gesehen). San Francisco war meiner Information nach die erste Stadt in den USA, die Plastikbeutel verboten hat. Das wäre doch einmal eine wirklich sinnvolle Vorschrift, die die Europäische Union übernehmen sollte!

Und wenn es schon um Papier geht: Ich weiß nicht warum, aber es gibt in Amerika kein ordentliches Toilettenpapier. Die Klopapierrollen sind so dermaßen dünn, dass … Ich will nicht näher darauf eingehen. Auch amerikanische Taschentücher sind so hauchzart, dass sie keinen Heuschnupfen überleben. Es gibt nur die Stärke der Kleenex-Box-Tüchlein. Deshalb bunker ich meine Tempos aus Deutschland. 

Nachts sreite ich mich mit meinem Mann um die Bettdecke. Denn in unserem "queen-size-bed" (152 mal 203 Zentimeter), das eigentlich zu schmal für zwei Personen, aber zu groß für eine Person ist, hat auch die Decke entsprechende Maße. Als Paar teilt man in Amerika eben nicht nur Tisch und Bett, sondern auch die Bettdecke (ähnlich wie beispielsweise in Frankreich). Die Decke ist zwar riesig, aber Deutsche haben ja schon ein besonderes Verhältnis zu bauschigen Federbetten, in die sie sich einkuscheln ... Zu zweit geht das nur, wenn man frisch verliebt ist. Zum Glück haben wir ein zweites Schlafzimmer, in das Falk dann manchmal ausweicht, wenn es im Ehebett zu eng wird.

Und bevor mir noch mehr Unterschiede einfallen, höre ich jetzt lieber auf.

Dienstag, 8. April 2014

Amerikanisches Bildungssystem



Helene studiert jetzt! "Welcome to the new greenhouse students!", wurde unsere Tochter von ihrem neuen Tagesvater in seiner Rundmail an die Eltern begrüßt. Als "student" wird also eine Zweijährige bezeichnet, die weder von den Eltern, noch von einer Nanny betreut wird, sondern (in unserem Falle) in einer "homebased daycare". Ich berichtete von der Suche nach dem richtigen zweiten Zuhause. Bei André im Greenhouse (er wohnt in einem grünen Haus) haben wir das gefunden. Wir hoffen, dass sich Helene schnell bei ihrem Tagesvater eingewöhnt. 

Er ist ziemlich locker und macht lustige Sachen mit den Kindern. Das kommt auch bei unserer Tochter sehr gut an. (Da es in Amerika leider keine ostdeutschen Krippenwägen gibt, hat er sich beispielsweise einfach Räder an ein Gitterbett gebastelt. Er düst damit zum Spielplatz oder zur Kinderturnhalle und die Kinder hüpfen quietschend auf der Matratze herum.) André geht aber auch sehr liebevoll mit seinen inzwischen acht Schützlingen um. Zeitweise wird er von seiner Tochter Anna unterstützt. Vor neun Jahren hat André als Tagesvater angefangen, als seine eigenen Zwillinge betreut werden mussten. (Hier eher selten, dass dann der Papa zu Hause bleibt.) Unter Berkeleys Eltern hat er einen guten Ruf. Eigentlich ist es für Helene jetzt ganz ähnlich wie bei ihrer deutschen Tagesmutter, nur dass sie immer noch etwas irritiert ist, wenn andere nicht Deutsch sprechen. Zum Glück hat André eine deutsche Mutter. Er spricht zwar nicht fließend Deutsch, aber doch so viel, dass er die wichtigsten Worte versteht. Das, so hoffe ich, wird Helene den Übergang erleichtern. 





Ansonsten wird unser kleines Lenchen immer mehr ein großes Mädchen, plappert den ganzen Tag und erzählt mir, an was sie sich alles erinnert! (Das ist oft schon mehrere Monate her!) Auch über ihre Gefühle redet sie. Heute wartete sie geschlagene 17 Minuten an der offenen Haustür, dass endlich ihr Papa von der Arbeit kommt. Als sie zwischendurch die Geduld verlor und die Tür knallte, erklärte sie mir: "Ich bint ganz wütend!" Oder sie setzt sich in eine Ecke, weit weg von anderen lauten Kinder und sagt: "Ich braucht meine Ruhe, Mama!"



Aber um auf das amerikanische Bildungssystem zurückzukommen: Nicht mehr lange, und Helene muss zur Schule. Mein Mann und ich rätseln zwar immer noch, welcher Begriff, ab welchem Alter der richtige ist (preschool, school, kindergarten ...), aber eines steht fest: Die Karriere wird auch bei den Kleinsten schon sehr forciert. Sie müssen bereits im Kindergartenalter zählen und lernen die ersten Buchstaben. Unsere Nachbarstochter Freya musste mit fünf Jahren bereits Rechen - und Leseübungen als Hausaufgaben erledigen. Die unbeschwerte Kindheit ist hier anscheindend sehr kurz. 

Da wir keine Kinder im (deutschen) Schulalter haben, weiß ich nicht, wie es mit elementary und highschool etc. aussieht, geschweige denn erst mit dem Studium oder der Ausbildung. (Ich wundere mich als Deutsche natürlich über die Berufsbezeichnungen und habe langsam den Verdacht, dass jeder sich hier selbst eine geben kann, wenn er oder sie nur mal in dem Bereich gejobbt hat. Also nicht vergleichbar mit dem strengen deutschen Ausbildungssystem ...) "Student" wird man jedenfalls noch an der Uni genannt. Aber über Universitäten, vor allem die UC Berkeley, berichte ich ein anderes Mal.

Sonntag, 6. April 2014

Odyssee (Unser Autokauf in den USA)



Wir haben von einem alten Cadillac geträumt, zumindest von einem 70er Jahre Chevrolet. Aber jetzt kaufen wir uns einen Möchtegern-SUV! Jene Geländelimosine mit dem englischen Namen Sport Utility Vehicle hat das Land längst überflutet. (Selbst in Deutschland tauchen sie immer häufiger auf. Und in einer flachen Stadt wie Leipzig bringen mich diese Autos echt auf die Palme!) Wir haben uns hier oben auf dem Berg in Berkeley für die etwas abgespeckte Variante von Volvo entschieden. Eine Internetkritik hat dieses Auto (wer es genau wissen möchte: V70 XC AWD) als ein Gefährt für den „Wannabe Marlboro Man“ bezeichnet. Nun, ich habe es ausgesucht!

Die letzten zwei Wochen waren sehr nervenaufreibend, aber auch lehrreich und ein einzigartiger Blick in die amerikanische (Männer-) Gesellschaft. Ich hatte einige zum Verkauf stehende Autos im Internet herausgesucht und an einem Sonntag machte sich Familie Heße auf den Weg:

Zuerst besuchten wir Carlos, einen mexikanischen Amerikaner, Mitte 20. Er war uns sehr sympathisch, hatte allerdings seinen Volvo-Kombi getunt, mit einem fetten Auspuff ausgestattet und tiefer gelegt. So war beispielsweise die fordere Stoßstange völlig hinüber. Allein die Kosten, das zu reparieren, überstiegen unsere Schmerzgrenze. Als wir damit Probe fuhren, wunderten wir uns, warum das Ding so laut röhrte ... Noch mehr wunderten wir uns darüber, welche Schnitten Carlos mit einem tiefer gelegten Familienauto beeindrucken wollte! Er musste damit wirklich ganz schön herumgepeest sein, zeigte uns aber stolz einige Bosch-Erstazteile, die er vor kurzem eingebaut hatte. Sein Erstwagen war ein roter 80er Jahre BMW Cabrio. Als er diesen einparken wollte, ist er einmal um den Block gefahren, anstatt nur zurück zu stoßen.

Den zweiten Anbieter bekamen wir nicht zu Gesicht. Er war am Telefon erschreckend unhöflich und führte uns auf eine Art Schnitzeljagd. Die Adresse, die er angegeben hatte, war unauffindbar. So landeten wir erst bei den Zeugen Jehovas und dann an einer Tankstelle, wo wir nach der Hausnummer fragten. Der Tankwart sagte: Das ist hier, und zeigte an die Wand. Es war die Tankstelle, aber das Auto (VW Passat) war nicht zu sehen. Dann entdeckten wir es gegenüber auf der anderen Straßenseite. Es stellte sich heraus, das es bereits abgemeldet und ein Unfallwagen war. Da Falk nicht noch mal mit dem Grobian telefonieren wollte, und uns das Auto natürlich nicht überzeugte, machten wir uns aus dem Staub.

Den dritten Verkäufer sahen wir auch nicht. Es handelte sich wieder um einen Volvo, diesmal die Stufenheck-Version, die in Amerika weitaus verbreiteter ist als in Deutschland. (Da wir selbst Volvo-Liebhaber sind, und Volvos in Berkeley ungewöhnlich beliebt sind, haben wir uns schließlich auf diese Marke beschränkt. Wir müssen es ja auch gut wieder verkaufen können, bevor wir das Land verlassen.) Dieser Volvo schnurrte für sein Alter wie ein Kätzchen und Falk war begeistert. Der Verkäufer hieß Iwan Diamond, IV. Ungelogen, das war sein Name! In Berkeley gibt es einen Service für private Autoverkäufer, wo sie ihren Wagen potentiellen Käufern zeigen können, ohne selbst anwesend sein zu müssen. Dort konnten wir Probe fahren und erhielten die Telefonnummer des Verkäufers. Iwan der Vierte war vermutlich ein älterer, sorgsamer Herr, am Telefon ausgesprochen nett und höflich. Er nannte uns den Namen seiner Werkstatt und dort ging Falk dann auch hin, um herauszubekommen, wie gut das Auto in den letzten Jahren gewartet worden war. Leider erfuhr er dort auch, dass die Kilometer-Anzeige (oder besser: Meilen-Anzeige) nicht stimmte und damit der Preis des Volvos ganz bestimmt viel zu hoch angesetzt worden war. Das erschien uns natürlich suspekt. Iwan Diamond entschuldigte sich am Telefon und sagte, es sei ein Versehen, dass das nicht in der Beschreibung erwähnt worden war. Da aber der Wiederverkaufswert des Autos durch die kaputte Anzeige sehr fraglich war, nahmen wir auch Abstand von diesem Angebot.

Zwei Vorgehensweisen helfen in den USA beim Autokauf und waren auch für uns ungemein hilfreich: Das eine ist eine Homepage, die den Wert von neuen oder gebrauchten Autos anzeigt, je nach Marke, Baujahr und gefahrenen Meilen. Die andere ist die hier übliche Fahrzeuginspektion vor dem Kauf durch einen Mechaniker. Das kostet zwar einiges (in Berkeley meist 120 Dollar), aber dafür weiß man dann ziemlich genau, was man von einem Gebrauchtwagen erwarten kann und welche Reparaturen anstehen. Auf der Suche nach Mechanikern, fanden wir heraus, dass es in Berkeley ungewöhnlich viele Volvo-Werkstätten gibt. (Wieder einmal der Beweis, dass das hier eine Öko-Spießer-Hochburg ist.) Bei nur 100.000 Einwohnern zählten wir mindestens fünf auf Volvo spezialisierte Reparaturdienste.

Den nächsten Volvo brachten wir zu einem Mechaniker zur Durchsicht. Der Wagen wurde im Internet als „Runs Great!“ beworben und sein Besitzter war ein netter Familienvater, der ihn extra zur Werkstatt brachte, obwohl er nicht einmal in der Nähe wohnte. Als ich das Auto sah, zog sich schon wieder mein Magen zusammen. Amerikaner sind gute Verkäufer, sie bewerben alles in den höchsten Tönen. Wie bei vielen anderen Volvos stand doch tatsächlich auch hier "gas saver" (Sprit sparend!) in der Anzeige. Doch dieses Auto war offensichtlich Schrott. Zum Glück bot uns der Mechaniker an, einen ersten Blick darauf zu werfen und uns dann anzurufen. Sollte sich herausstellen, dass zu viele Reparaturen anstehen, würde er es nicht weiter inspizieren. Das ersparte uns einen Haufen Geld, denn die ersten 15 Minuten waren kostenlos. Natürlich hätte sich der Kauf für uns nicht gelohnt. Der Familienvater versuchte nicht einmal, sein Fahrzeug zu verteidigen oder mit uns den Preis zu verhandeln (denn der Preis ist eigentlich fast immer etwas zu hoch angesetzt.)

Dann landeten wir bei Bruce Ackermann. Bruce hat uns beeindruckt. Er ist Volvo-Werkstatt-Besitzer und – wie vielleicht sein Nachname verrät – gründlich wie es das Klischee von Deutschen besagt. Er wirkte dementsprechend wie eine Mischung aus wortkargem Norddeutschen und höflichem Briten. Sein Pokerface sagte Nichts darüber aus, was er über uns dachte. Ackermann's hat in Berkeley einen guten Ruf als solide Werkstatt, wir hatten sie durch das Eltern Netzwerk gefunden, eine Plattform im Internet, die uns schon einige Male zuvor geholfen hatte. Wir befragten Bruce zu potentiellen Reparaturen, als er plötzlich mit einem eigenen Angebot herausrückte: Ein Volvo S70, der aussah wie neu, obwohl er 14 Jahre alt war. Außen schwarz und innen mit hellem Leder ausgekleidet. Jemand hatte das Auto sehr gut gepflegt und es war zu jeder Durchsicht pflichtbewusst bei Ackermann's Service gewesen. Dann ließ er uns Probe fahren. Das war ein geiler Schlitten! Wir fühlten uns plötzlich so, wie wir dachten, dass man sich in einem amerikanischen Auto fühlen muss. Wir liebäugelten sehr mit dieser Limosine, obwohl es ein Stufenheck-Volvo war. Es gab einen anderen Interessenten und wir sollten uns schnell entscheiden. Das war schwer. Der Preis war sehr hoch angesetzt. Das Auto war zwar ohne Frage top gewartet und wir konnten sofort damit losfahren. Aber eigentlich war es auch ein bisschen zu schön für uns! Nur ein Kratzer mit dem Kinderwagen, und wir hätten 500 Dollar Wert verloren. Nur ein paar schmutzige Kinderhände, und wir würden es nicht mehr so teuer weiterverkaufen können. Nur eine Beule, in den Kurven von Berkeley Hills eingefangen, und wir hätten mächtig drauf gelegt. (Ich habe noch nicht erwähnt, dass hier fast alle Autos Beulen haben, das ist für uns Deutsche irritierend.) Wir haben Bruce erst abgesagt. Dann kurz darauf noch einmal angerufen, weil wir dachten, es sei doch die beste Entscheidung, aber da war der amerikanischste aller Volvos bereits verkauft.

Ich konnte nicht mehr und Falk hatte schon so viel Arbeitszeit versäumt, dass wir keine Lust mehr hatten. Da flatterte noch ein Angebot von einer deutschen Familie in meine Mailbox. Ich habe gesagt, dass ich sofort Probe fahren will. Wie oft waren die angebotenen Volvos schon verkauft, kaum war die Anzeige geschaltet! Diesmal waren wir die ersten. Dieser halbe Geländewagen schaffte die 25-prozentige Steigung der Marin Avenue zu uns hoch auf den Berg ohne Probleme. Im Werkstatt-Test schnitt er nicht allzu schlecht ab, auch wenn einige Dinge zu reparieren sind. Der Kombi ist geräumig, hat sieben Sitze, zwei davon Reservesitze zum Ausklappen im Kofferraum, und auch schon ein paar Kratzer. Er ist absolut familientauglich. Wir können die deutsche Familie in Euro bezahlen und alle Absprachen in Deutsch treffen, das ist von Vorteil. Deshalb haben wir zugeschlagen. In zwei Wochen, wenn die Landsmänner Amerika verlassen, sind wir motorisiert.

Auch wenn wir Idealisten sind, und es anders geplant hatten. Jetzt machen wir es in Amerika doch wie die Amerikaner und erledigen unsere Wege mit dem Auto. Einkaufen und Helene zum Tagesvater bringen? Mit dem Bus eine Qual! Ausflüge am Wochenende? Ein riesen Aufwand und nur beschränkte Ausflugsziele. Und auch, wenn uns Kendra und Will so oft ihr Gefährt geliehen haben, war es trotzdem meistens frustrierend, hier oben festzusitzen. Wenn man nicht einmal einen Bäcker in laufbarer Nähe hat, wird der Alltag beschwerlich (ich habe es auch mit selbst Brotbacken versucht, aber das löst nicht das Problem). Der Bus fährt nur halbstündlich, am Wochenende nur einmal in der Stunde. Man darf nur einmal umsteigen und ist meist eine Stunde unterwegs auf Strecken für die man mit dem Auto eine viertel Stunde braucht. Auch wenn Helene das Busfahren liebt, jetzt machen wir eben mit, bei der Umweltverschmutzung. Nur leider nicht in einem alten Cadillac.

(Wer bis hierhin den Text gelesen hat, bekommt von mir ein Sternchen. Bei all der Aufregung, Telefoniererei, dem Pendeln zwischen Angeboten und Werkstätten, habe ich das Fotografieren vergessen. Es gibt also keine Fotos. Nur hier der Link zu Ackermann's Service. Komischerweise lacht Bruce auf diesen Fotos, das haben wir nie bei ihm gesehen, wahrscheinlich hat er einen trockenen Humor: http://www.ackermanservicingvolvo.com/)

Schatzsuche



Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in Amerika ist, am Wochenende Garage Sales zu besuchen. Diese Garagen-Verkäufe sind noch besser als Flohmärkte. Privatpersonen bieten in ihrem Garten, ihrer Hofeinfahrt, manchmal in ihrem Haus Sachen feil, die sie nicht mehr brauchen. Diese Sachen sind meistens in einem guten Zustand und sehr günstig. Garage Sales sind ganz legal und zwischen Donnerstag und Samstag erlaubt, die meisten finden am Wochenende statt. Ich glaube, dass auch viele Amerikaner sie toll finden, zumindest gehen da auch immer einige Leute hin.

Schon bei meinem ersten USA-Besuch bin ich mit meiner Freundin Kara auf Schatzsuche gegangen: Wenn wir irgendwo an einer Ecke ein handgemaltes Hinweisschild zu einem Garagen-Verkauf gesehen haben, sind wir sofort mit dem Auto umgedreht und haben vor dem Haus anghalten. Am Ende musste ich mir zwei zusätzliche 1950er Jahre Koffer kaufen, um meine Fundstücke auch nach Hause tragen zu können. (Damals noch ohne Aufpreis beim Rückflug.)

Hier in Berkeley habe ich eine noch spannendere Form der Garage Sales kennen gelernt: Estate Sales. Das sind Haushaltsauflösungen, meistens nachdem jemand gestorben ist. Ich war hier bereits auf vier solcher Verkäufe und sie waren allesamt höchst interessant! Man kann dabei nicht nur Schätze vergangener Zeiten finden, sondern oft in ein anderes Leben eintauchen. Meistens ist das ganze Haus offen, man kann sich die Räume ansehen und alle Möbel, Kleidung, Papierkram, Bücher, Bettwäsche, Geschirr und Küchengeräte erwerben. Man muss sehr früh kommen, um sich die besten Sachen zu sichern. Das ist super, wenn man sich neu einrichten muss oder einige Dinge für den Haushalt besorgen muss, so wie wir. Ich bin schon mehrmals mit einem riesen Berg an Sachen heraus spaziert und hatte jeweils nur neun Dollar für alles bezahlt! Ein riesen Schnäppchen, gerade wenn man die sonst üblichen hohen Kosten in Kalifornien vergleicht. (Allerdings werde ich wohl nicht alle Einkäufe mit nach Hause bringen können, die Airlines sind inzwischen ziemlich streng was das Übergepäck betrifft ...)

Heutzutage werden die Garage Sales zusätzlich im Internet bekannt gegeben. Ich picke mir dort vor allem Haushaltsauflösungen in unserer Nähe heraus. Berkeley Hills ist ein wohlhabendes Wohngebiet und die meisten älteren Menschen hier hatten Geld und Geschmack. Gestern habe ich das erste Mal meinen Mann zu einem Estate Sale mitgenommen und selbst er war begeistert! Das Haus war zugegeben das Schönste, das auch ich hier von innen gesehen hatte. Der kleine Garten hatte eine wunderbare Sicht auf die San Francisco-Bay. Das Haus stammte aus den 1950ern und war von einem Architekten im japanischen Stil gebaut, so wie das damals hier Mode war. Alles war aus einem Guss und sehr geschmackvoll, selbst die Einbauküche! Wir konnten nicht das ganze Haus sehen, da die Familie den größten Teil abgesperrt hatte. Aber sie sagten, dass es in einem Monat zum Verkauf steht. Für 900.000 Dollar werden sie es anbieten. Wir wollen es uns auf jeden Fall ansehen, wenn es dann zum Verkauf offen ist. (Nur zum Träumen!)

Hier noch ein paar Bilder von den Schätzen der letzten Wochen:


Meine gestrigen Einkäufe: Küchenwaage, Salatbesteck, Kaffeedose,
ein goldenes Tablett und ein Puderdöschen aus dem japanischen Haus.

Diese Wanduhr hat sich Helene ausgesucht. Sie muss mit nach Deutschland.

Wunderschönes Briefpapier und Zeichenblöcke haben wir im Haus einer ehemaligen
Kunstlehrerin gefunden. Sie lebte in unserer Straße.

Von der Lehrerin stammen auch die Decke und die schön kitschige Tagesdecke. 

Auch diese süßen Rezeptkärtchen habe ich beim Estate Sale der Lehrerin gekauft.





Dienstag, 1. April 2014

Hauptsache wir bleiben gesund!



Heute ist Stichtag. Ab heute muss jeder Amerikaner eine Krankenversicherung nachweisen. Mit einigen wenigen Ausnahmen (aus religiösen Gründen und bei ganz armen Menschen) muss man ansonsten Strafe zahlen. Das Gesetz – bekannt geworden unter dem Namen Obamacare – ist ein Meilenstein in der amerikanischen Geschichte und das Herzstück der Politik des demokratischen Präsidenten.

Nach vielen Kämpfen mit den Republikanern (die beispielsweise den Governmentshutdown im Oktober 2013 zur Folge hatten) und Anfangs- schwierigkeiten mit einer neuen staatlichen Website zur Krankenversicherung (healthcare.gov), haben sich vor allem kurz vor Ablauf der Frist noch einmal sehr viele Amerikaner neu krankenversichert. Insgesamt sind es mehr als sechs Millionen Neuversicherte. Es gibt außerdem strengere Auflagen für Firmen, ihre Angestellten zu versichern und für Versicherungen, jeden anzunehmen ohne nach Vorerkrankungen fragen zu dürfen. Auch wurde die soziale Absicherung Medicaid für Arme, vor allem Kinder aus ärmeren Familien, entscheidend erweitert.


Diese Klinik in Berkeley behandelt jeden kostenlos und lebt allein von Spenden.
Sie ist nicht nur Anlaufstelle für Obdachlose.

Ziel der Demokraten war es, die extrem hohe Rate von mehr als 50 Millionen nicht krankenversicherten US-Einwohnern zu reduzieren. Die Regierung geht davon aus, dass sich in den kommenden fünf Jahren 30 Millionen Menschen neu versichern. Weiterhin werden schätzungsweise acht Millionen illegale Einwanderer nicht krankenversichert sein sowie arme Menschen, die nicht wissen, dass sie durch Medicaid abgedeckt sind. Obamacare sollte vor allem junge Menschen ansprechen, die denken, sie brauchen sich nicht versichern, weil sie gesund bleiben. (Wer  gut Englisch kann, sollte sich mal die Werbung zum Gesetz zu Gemüte führen, die Obama auf Youtube zeigt: Between two ferns. Obama hatte ja schon immer gute PR-Berater und seine Online-Präsenz sorgt für Sympathien unter der jüngeren Bevölkerung, also könnte der Plan doch aufgehen!)

Die Pflicht zur Krankenversicherung – das haben wir auch durch die deutsche Presse mitbekommen – scheidet die Geister. Die Republikaner empfinden das als Einschnitt in die persönliche Freiheit der Amerikaner und vor allem zu teuer. Tatsächlich ist Amerika das Land, das weltweit bisher am meisten Geld für die Gesundheit ausgibt (insgesamt ca. 20 Prozent des BSP), dabei aber nicht sehr effektiv erscheint. Die Lebenserwartung ist beispielsweise nicht sehr hoch, was ich beim Anblick der vielen Armen und Obdachlosen, die ich auf der Straße sehe, sehr nachvollziehen kann (denn sie senken natürlich den Durchschnitt). Auch nicht versicherte Menschen hatten bisher die Möglichkeit, sich im Notfall im Krankenhaus behandeln zu lassen, aber bekanntlich wartet man in dem Fall so lange, bis es schon fast zu spät ist. (Unser deutscher Zahnarzt hat uns beispielsweise erzählt, dass ein befreundeter Kollege regelmäßig in seinem Urlaub mit „Ärzte ohne Grenzen“ in die USA kommt. Seine kostenlosen Notfallbehandlungen bestehen dann vor allem darin, Zähne zu ziehen, weil es für alles andere bereits zu spät ist.) Die hohen Kosten der Ärzte und damit der Versicherungspolicen entstehen zum Großen Teil dadurch, dass die Rate von Klagen gegen Ärzte in den USA sehr hoch ist. Dagegen können sich die Ärzte nur mit teuren Versicherungen wappnen, was aber auch die Behandlungskosten allgemein anhebt.

Da wir selbst eine deutsche Auslandskrankenversicherung abgeschlossen haben – natürlich! - und ich mir deshalb leisten kann, in die schicken Arztpraxen zu gehen, hatte ich bereits einen kleinen Einblick ins amerikanische Gesundheitssystem. Mir ist vor allem aufgefallen, dass die Ärzte sehr Service orientiert sind. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben von einem Arzt so gut erklärt bekommen, welche Diagnose er stellt und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Wer viel Geld für seine Behandlung zahlt, kriegt dafür auch Zeit! 

Zum Vergleich der Kosten: Ich musste beispielsweise mit Helene zur Hepatitis A+B-Impfung. In Deutschland hat diese inklusive des Gesundheitschecks durch den Arzt etwas mehr als 70 Euro gekostet. Hier hat allein die Untersuchung, ob Helene gesund ist, 190 Dollar gekostet. Und da es keinen kombinierten Impfstoff gab, mussten wir zwei Impfungen bezahlen, jeweils noch einmal rund 100 Dollar, wobei allein 45 Dollar für die Verabreichung des Impfstoffs bezahlt wird, also für den Pieks. Wären wir allerdings nicht versichert gewesen, hätten wir diese Impfung auch kostenlos bekommen, da sie staatlich empfohlen ist. Dann allerdings nicht in so einer tollen Praxis. 

Als ich beim Zahnarzt war (oh weh, schon wieder :-( ), habe ich mich eher wie in einer gemütlichen Wohnung gefühlt. Alles wirkte viel weniger steril und damit auch nicht so kalt wie in Deutschland. Die Praxis war zwar relativ klein, aber geschmackvoll eingerichtet und mit einem weichen Teppich im Wartebereich ausgelegt. Die Behandlungszimmer waren zwar auch wesentlich kleiner als bei meinem deutschen Zahnarzt (man denke an die hohen Mieten in der Bay Area), aber ansonsten gab es keine markanten Unterschiede.

Krankenversorgung ist ein Recht, kein Privileg.“, ist der Leitsatz der Freien Klinik in Berkeley, die kostenlos jeden behandelt. Die Schere zwischen Arm und Reich geht vor allem bei Gesundheit und Wohnen sehr weit auseinander in Amerika. Ich habe das Glück, dass ich auf der bequemen Seite bin und mein Kind im Notfall versorgt weiß. Als Deutsche mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn kann ich die Kritik an Obamacare nicht nachvollziehen. Und vor allem denke ich, dass es auch eine christliche oder rein menschliche Pflicht gibt, dass die, die mehr haben und gesund sind, etwas abgeben sollten, damit auch die Ärmeren und Kranken gut versorgt sind. Das ist doch der Sinn einer Pflichtkrankenversicherung! In diesem Sinne bin ich stolz, dass ich diesen Tag heute in den USA erlebe.