Heute
ist Stichtag. Ab heute muss jeder Amerikaner eine Krankenversicherung
nachweisen. Mit einigen wenigen Ausnahmen (aus religiösen Gründen
und bei ganz armen Menschen) muss man ansonsten Strafe zahlen. Das
Gesetz – bekannt geworden unter dem Namen Obamacare – ist ein
Meilenstein in der amerikanischen Geschichte und das Herzstück der
Politik des demokratischen Präsidenten.
Nach
vielen Kämpfen mit den Republikanern (die beispielsweise den
Governmentshutdown im Oktober 2013 zur Folge hatten) und
Anfangs- schwierigkeiten mit einer neuen staatlichen Website zur
Krankenversicherung (healthcare.gov), haben sich vor allem kurz vor
Ablauf der Frist noch einmal sehr viele Amerikaner neu
krankenversichert. Insgesamt sind es mehr als sechs Millionen
Neuversicherte. Es gibt außerdem strengere Auflagen für Firmen,
ihre Angestellten zu versichern und für Versicherungen, jeden anzunehmen ohne nach Vorerkrankungen fragen zu dürfen. Auch wurde
die soziale Absicherung Medicaid für Arme, vor allem Kinder
aus ärmeren Familien, entscheidend erweitert.
Ziel der Demokraten war es, die extrem hohe Rate von mehr als 50 Millionen nicht krankenversicherten US-Einwohnern zu reduzieren. Die Regierung geht davon aus, dass sich in den kommenden fünf Jahren 30 Millionen Menschen neu versichern. Weiterhin werden schätzungsweise acht Millionen illegale Einwanderer nicht krankenversichert sein sowie arme Menschen, die nicht wissen, dass sie durch Medicaid abgedeckt sind. Obamacare sollte vor allem junge Menschen ansprechen, die denken, sie brauchen sich nicht versichern, weil sie gesund bleiben. (Wer gut Englisch kann, sollte sich mal die Werbung zum Gesetz zu Gemüte führen, die Obama auf Youtube zeigt: Between two ferns. Obama hatte ja schon immer gute PR-Berater und seine Online-Präsenz sorgt für Sympathien unter der jüngeren Bevölkerung, also könnte der Plan doch aufgehen!)
Diese Klinik in Berkeley behandelt jeden kostenlos und lebt allein von Spenden. Sie ist nicht nur Anlaufstelle für Obdachlose. |
Ziel der Demokraten war es, die extrem hohe Rate von mehr als 50 Millionen nicht krankenversicherten US-Einwohnern zu reduzieren. Die Regierung geht davon aus, dass sich in den kommenden fünf Jahren 30 Millionen Menschen neu versichern. Weiterhin werden schätzungsweise acht Millionen illegale Einwanderer nicht krankenversichert sein sowie arme Menschen, die nicht wissen, dass sie durch Medicaid abgedeckt sind. Obamacare sollte vor allem junge Menschen ansprechen, die denken, sie brauchen sich nicht versichern, weil sie gesund bleiben. (Wer gut Englisch kann, sollte sich mal die Werbung zum Gesetz zu Gemüte führen, die Obama auf Youtube zeigt: Between two ferns. Obama hatte ja schon immer gute PR-Berater und seine Online-Präsenz sorgt für Sympathien unter der jüngeren Bevölkerung, also könnte der Plan doch aufgehen!)
Die
Pflicht zur Krankenversicherung – das haben wir auch durch die
deutsche Presse mitbekommen – scheidet die Geister. Die
Republikaner empfinden das als Einschnitt in die persönliche
Freiheit der Amerikaner und vor allem zu teuer. Tatsächlich ist
Amerika das Land, das weltweit bisher am meisten Geld für die
Gesundheit ausgibt (insgesamt ca. 20 Prozent des BSP), dabei aber nicht
sehr effektiv erscheint. Die Lebenserwartung ist beispielsweise nicht sehr
hoch, was ich beim Anblick der vielen Armen und Obdachlosen, die ich
auf der Straße sehe, sehr nachvollziehen kann (denn sie senken natürlich den Durchschnitt). Auch nicht
versicherte Menschen hatten bisher die Möglichkeit, sich im Notfall
im Krankenhaus behandeln zu lassen, aber bekanntlich wartet man in
dem Fall so lange, bis es schon fast zu spät ist. (Unser deutscher
Zahnarzt hat uns beispielsweise erzählt, dass ein befreundeter
Kollege regelmäßig in seinem Urlaub mit „Ärzte ohne Grenzen“
in die USA kommt. Seine kostenlosen Notfallbehandlungen bestehen dann
vor allem darin, Zähne zu ziehen, weil es für alles andere bereits
zu spät ist.) Die hohen Kosten der Ärzte und damit der Versicherungspolicen entstehen zum Großen Teil dadurch, dass die Rate von Klagen gegen Ärzte in den USA sehr hoch ist. Dagegen können sich die Ärzte nur mit teuren Versicherungen wappnen, was aber auch die Behandlungskosten allgemein anhebt.
Da
wir selbst eine deutsche Auslandskrankenversicherung abgeschlossen
haben – natürlich! - und ich mir deshalb leisten kann, in die
schicken Arztpraxen zu gehen, hatte ich bereits einen kleinen
Einblick ins amerikanische Gesundheitssystem. Mir ist vor allem
aufgefallen, dass die Ärzte sehr Service orientiert sind. Ich habe
noch nie in meinem ganzen Leben von einem Arzt so gut erklärt
bekommen, welche Diagnose er stellt und welche
Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Wer viel Geld für seine
Behandlung zahlt, kriegt dafür auch Zeit!
Zum Vergleich der Kosten:
Ich musste beispielsweise mit Helene zur Hepatitis A+B-Impfung. In
Deutschland hat diese inklusive des Gesundheitschecks durch den Arzt
etwas mehr als 70 Euro gekostet. Hier hat allein die Untersuchung, ob Helene gesund ist, 190
Dollar gekostet. Und da es keinen kombinierten Impfstoff gab, mussten
wir zwei Impfungen bezahlen, jeweils noch einmal rund 100 Dollar, wobei
allein 45 Dollar für die Verabreichung des Impfstoffs bezahlt wird,
also für den Pieks. Wären wir allerdings nicht versichert gewesen,
hätten wir diese Impfung auch kostenlos bekommen, da sie staatlich
empfohlen ist. Dann allerdings nicht in so einer tollen Praxis.
Als ich beim Zahnarzt war (oh weh, schon wieder :-( ), habe ich mich eher wie in einer gemütlichen Wohnung gefühlt. Alles wirkte viel weniger steril und damit auch nicht so kalt wie in Deutschland. Die Praxis war zwar relativ klein, aber geschmackvoll eingerichtet und mit einem weichen Teppich im Wartebereich ausgelegt. Die Behandlungszimmer waren zwar auch wesentlich kleiner als bei meinem deutschen Zahnarzt (man denke an die hohen Mieten in der Bay Area), aber ansonsten gab es keine markanten Unterschiede.
„Krankenversorgung
ist ein Recht, kein Privileg.“, ist der Leitsatz der Freien Klinik
in Berkeley, die kostenlos jeden behandelt. Die Schere zwischen Arm
und Reich geht vor allem bei Gesundheit und Wohnen sehr weit
auseinander in Amerika. Ich habe das Glück, dass ich auf der
bequemen Seite bin und mein Kind im Notfall versorgt weiß. Als
Deutsche mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn kann ich die
Kritik an Obamacare nicht nachvollziehen. Und vor allem denke ich,
dass es auch eine christliche oder rein menschliche Pflicht gibt,
dass die, die mehr haben und gesund sind, etwas abgeben sollten, damit auch die
Ärmeren und Kranken gut versorgt sind. Das ist doch der Sinn einer
Pflichtkrankenversicherung! In diesem Sinne bin ich stolz, dass
ich diesen Tag heute in den USA erlebe.
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