Sonntag, 24. August 2014

Überlebt!

Wir haben unser erstes Erdbeben überlebt! Heute Nacht, um 3.20 Uhr kalifornischer Zeit, wackelte die Erde nahe Napa, circa 35 Kilometer nördlich von uns. Das Beben erreichte im Epizentrum eine Stärke von 6,1 auf der Richterskala (zum Vergleich: das Erdbeben 1989 in San Francisco hatte eine Stärke von 6,9). In der Weinstadt Napa stürzten Häuser ein, Menschen wurden verletzt und der kalifornische Gouverneur rief den Notstand aus, davon berichtet selbst Spiegel online.

In Berkeley Hills bewegte sich die Erde immer noch mit einer Stärke von circa 4 auf der Richterskala, d.h. wir wurden in unseren Betten merklich durchgeschüttelt und unsere Nachttischlampe klapperte ziemlich laut. Ansonsten ist diese Stärke bei Erdbeben ungefährlich und es entstehen keine Schäden. Und manche Menschen merken es nicht einmal, besonders nachts. So erging es auch mir. Ich habe mein erstes Erdbeben einfach verschlafen! 

Nur Falk ist vom Beben aufgewacht und hat sich kurz überlegt, ob er sich Sorgen machen soll. Als aber nichts weiter vorfiel, ist er vor Müdigkeit ganz schnell wieder eingeschlafen. Nachdem wir am Morgen aufwachten, fragte mich Falk, ob ich auch das Erbeben heute Nacht gespürt hätte. Ich guckte nur verdutzt aus der Wäsche! Unsere Vermieter schoben uns einen Brief unter der Tür durch, worin sie uns feierlich gratulierten, dass wir unser erstes richtiges Erdbeben erlebt hatten.




Mittwoch, 20. August 2014

Wild Wild West


Wir Mitteleuropäer erleben hier am westlichen Rande des nordamerikanischen Kontinents etwas ganz Neues: Wie es ist, sich den Lebensraum von der Natur abzutrotzen. Selbst in der dichtbesiedelten San Francisco Bay Area erscheint unsere Nachbarschaft wie Wildnis, teilen wir die Erde mit invasiven Pflanzen und Tieren, von denen wir nicht glaubten, dass wir sie jemals so nah erleben würden! 

Unsere Begegnung mit einem Steppenwolf in einem Park in San Francisco habe ich bereits hier beschrieben. Die Tatsache, dass Wölfe und Schwarzbären in Nordamerika nicht ausgestorben sind, hinterlässt bei uns auch ein mulmiges Gefühl. Vor allem weil unser Ausflug in den Yosemite-Nationalpark kurz bevorsteht. Wir werden ganz sicher nicht tagelang auf menschenleeren Pfaden wandern, aber wir sind so viel Natur einfach nicht gewohnt!  (Der Grizzlybär, das Wappentier Kaliforniens, ist allerdings in freier Wildbahn nicht mehr in diesem Bundesstaat heimisch.)

In unserer unmittelbaren Nachbarschaft leben neben den unzähligen Eichhörnchen und wunderschönen Kolibibris (die so schnell fliegen, dass ich sie nie fotografieren kann) auch wilde Truthähne und viele Schwarzwedelhirsche. Helene ist ganz verrückt nach den Hirschen, die mit ihren Kitzen die Gärten unserer Nachbarn nach Nahrung durchforsten (unser Garten hat zum Schutz einen hohen Zaun). Als uns das erste Mal Hirsche über den Weg gelaufen sind, waren wir noch ganz aus dem Häuschen. Aber da sie uns fast wöchentlich begegnen und sie sich in der Regel auch nicht aus der Ruhe bringen lassen, wenn wir nur drei Meter entfernt stehen, haben wir uns an das kleine Wunder bereits gewöhnt. Wir teilen einfach ein gewisses gemeinsames Einzugsgebiet mit diesen Tieren, denn wir leben ja fast im Wald. Beeindruckend sind auch die Adler und großen Falken, die durch die Lüfte kreisen. Einmal habe ich eine riesige gestreifte Falkenfeder auf dem Spielplatz gefunden, die ich als Souvenir mit nach Hause bringen werde.

Aber es lauern auch Gefahren sprichwörtlich um die Ecke, von denen wir vor unserer Ankunft hier keine Ahnung hatten. In Berkeley Hills wurden in den letzten Jahren mehrfach "Mountain Lions" (Pumas) gesichtet. Die können wie die Grizzlys Menschen angreifen, obwohl das nicht so schnell passieren wird, wenn man einige Hinweise beachtet, die hier überall auf Schildern nachzulesen sind. Hauptsächlich soll man vermeiden sich in der Dämmerung in den Parks aufzuhalten, die nahe unseres Hauses beginnen. Weil wir aber die tatsächliche Gefahr, die von Pumas ausgeht, als unerfahrene Mitteleuropäer schlecht einschätzen können, haben wir auch alle anderen Regeln auswendig gelernt: Immer in der Gruppe spazieren, Kinder in die Mitte nehmen. Laut reden, singen oder pfeifen. Wenn ein Mensch einen Mountain Lion sieht, kann man sicher sein, dass dieser entweder seine Beute holen will (die man freigeben muss) oder er aus einem anderen Grund angreifen will. Deshalb darf man niemals wegrennen oder sich umdrehen. Dagegen soll man dem Tier in die Augen schauen, sich groß machen (Hände nach oben, niemals hinhocken), gefährliche Laute von sich geben (fauchen) und sich selbst mit Steinen oder Stöcken wehren, falls er tatsächlich angreift. Hat man eine Waffe, soll man alle anderen Hinweise überspringen und sofort schießen. Wir haben keine Waffe, also sind wir vorsichtig. Statistisch gesehen kommt in den USA pro Jahr ein Mensch ums Leben, der von Pumas angegriffen wird - also vergleichsweise wenig.

Diese Art von Wilden Westen hatten wir hier nicht erwartet! Ein bisschen können wir uns in die ersten (weißen) Siedler in dieser Gegend einfühlen. Die schönen Seiten der nahen Tierwelt habe ich in unzähligen Fotos festgehalten, wovon ich hier eine Auswahl zeige:



Der Gecko passt sich dem Baumstumpf im Tilden Park farblich gut an.

"Wild Turkeys" auf den Straßen von Berkeley Hills ...

... wie auch diese Hirschfamilie.

Ein Schwarzwedelhirsch in Nachbars Garten.


Die gepunkteten Hirschkitze sind einfach so süß!

Eine Hirschfamilie auf Point Reyes ...

... und hier der Papa dazu.

Ein Falke mit seinen schönen Federn.

Streifenhörnchen bewegen sich sehr schnell, ich habe es trotzdem fotografiert!

Eines der vielen Eichhörnchen bei uns.

Das ist wahrscheinlich ein Graumull, der an den Wurzel knabbert. 

Aus dieser Raupe wird einmal ein wunderschöner Schmetterling!

Robben am Strand in Monterey.


Hat dieses Schild ein Puma angeknabbart?

"Vorschläge" für die Begegnung mit dem "Mountain Lion".

Ein süßer  Grizzly hinter Glas. Im Zoo. Scharfe Krallen hat er trotzdem!

Montag, 18. August 2014

Sommerloch oder Amazon-Boykott

Während mich aus Deutschland Nachrichten über sommerliche Temperaturen erreichen, sinken meine Leserzahlen. Überall Ferienstimmung, nehme ich an. Und eigentlich wollte ich auch schon längst einen Artikel über Tiere veröffentlichen, denn Eisbären und ähnliches kurbeln die Leserzaheln an, oder?! Aber dann bin ich selber ins Sommerloch gefallen: Seit gefühlt einer Ewigkeit habe ich wieder einmal gelesen. Einen Roman von einer heiß diskutierten Newcomerin in den USA. "California" von Edan Lepucki. Rein zufällig ist Edan die Mutter von Helenes Daycare-Freund Bean.

Inzwischen nehme ich es schon fast selbstverständlich, dass die Leute, die wir hier in Berkeley so kennen lernen, alle Traumjobs haben. Allein unter den Müttern von Helenes Tagesbetreuung sind zwei "Novelists" (Romanautorinnen), eine Professorin für "Food Science" (Wissenschaft vom Essen) und eine Weinverkosterin (die macht das hauptberuflich für Restaurants, ist das nicht ein schönes Leben!?). Natürlich gibt es auch andere, mit ganz normalen Berufen, aber die Häufung der außergewöhnlichen ist schon markant!

Nun hat mir Edan neulich freudig erzählt, dass ihr Roman ins Deutsche übersetzt wird. Ich witterte eine Chance für ein Interview mit der Autorin, dass kein anderer deutscher Journalist im nächsten Frühjahr anbieten kann, und habe das erste Kapitel ihres Romans online gelesen. Und da ich das wirklich gut fand, habe ich nach dem Interview gefragt (das steht noch aus, ist aber schon geplant). Nun wurde es aber erst richtig interessant! Edan hat nämlich als unbekannte Autorin im Lotto gewonnen - so jedenfalls muss es sich anfühlen. 

Denn der Comedian Stephen Colbert empfahl in seiner TV-Show ihr Buch. In seinem persönlichen Kampf gegen Amazon. Das war im Juni, kurz bevor ihr Buch veröffentlicht werden sollte. Colbert erklärte, dass die Zahl der Vorbestellungen auf ein noch nicht erschienenes Buch ausschlaggebend sind im amerikanischen Büchermarkt für den Erfolg desselbigen. Wenn nun aber Amazon bestimmte Bücher nicht anbietet oder seine Lieferung von Neuerscheinungen mit Absicht um drei Wochen verzögert, ist das der Tod eines kleinen unbekannten Autors. Zudem gibt es auf Bücher in den USA keine Preisbindung und Amazon kann es sich leisten, die Bücher viel günstiger als im Laden anzubieten, woran natürlich auch der Autor weniger verdient. Deshalb bewarb Colbert "California" und forderte seine Fangemeinde auf, das Buch auf seiner Internetseite vorzubestellen und somit Amazon zu boykottieren. Er wollte damit beweisen, dass er mehr Bücher verkaufen kann als der Internetriese. Das schlug bei den Hipstern, die Newcomer-Autoren und kleine Verlage unterstützen wollen, ein wie eine Bombe! Der Verlag ließ 60.000 satt 12.000 Exemplare drucken und das Buch rutschte in Kürze auf den dritten Platz der New York Times Bestsellerliste. (Aus "Rache" bot Amazon den Roman eine Zeit lang für 16 Dollar an, statt den 26 im Laden.) Nun jettet Edan durch die Staaten, um vor ihren Fans Lesungen zu halten. Einen Wikipedia-Eintrag hat ihr Buch natürlich auch längst. Der Amerikanische Traum schlechthin.

Deshalb habe ich mich in der letzten Woche in mein Bett vergraben, wenn es neblig war, und in die Hängematte gelegt, wenn die Sonne schien - und fast 400 Seiten Englisch gelesen! Die Geschichte handelt von einem Ehepaar während der Post-Apokalypse, vom Zurück-aufs-Land aus Zwang und nicht weil es hip ist, sein eigenes Gemüse anzubauen. Es geht um Vertrauen und die Treue einer Ehe, die nicht mehr ganz neu ist, alles vor dem Hintergrund einer katastrophalen Welt. Ich werde Euch Bescheid geben, wenn "California" auf Deutsch erscheint.

Nur Eines ist für mich hinzuzufügen: So edel der Kampf gegen Amazon sein mag, das als Hauptkonkurrent kleine (Buch-) Läden vom Markt schupst und das Schicksal der Autoren so enorm mitbestimmt: Ich war heilfroh, dass ich in der Neuen Welt auf diesen Internetriesen zurückgreifen konnte! Denn während ich mir Berkeley und seine Ressourcen erst mühsam erschließen musste, hat Amazon mir die Kinderschuhe direkt vor die Haustür geliefert. Außerdem konnte ich mit meiner deutschen Kreditkarte in Euro bezahlen (und sparte somit die Umrechnungsgebühr). Es dauerte ein halbes Jahr bis ich so einigermaßen herausgefunden hatte, welche Produkte ich wo günstig und nicht völlig überteuert kaufen konnte. Amazon hat diese Zeit überbrückt. Auch die Großen sind nicht nicht nur schlecht, das habe ich daraus gelernt. 

Montag, 11. August 2014

University of California, Berkeley


Wahrzeichen: Der Campanile  ist der dritthöchste Glockenturm weltweit.

Nachdem mein Mann langsam, aber sicher sauer auf mich ist, weil ich immer noch nichts über seine Arbeitsstätte, die University of California (UC) in Berkeley, geschrieben habe, muss ich das schleunigst nachholen. Meine Fotos liegen auch schon seit geraumer Zeit in der Schublade (bzw. auf dem Server), aber die Ehrfurcht vor der geschichtsträchtigen, wenn auch noch gar nicht so alten Bildungseinrichtung an der Westküste Amerikas, hat in mir eine Schreibblockade ausgelöst. Trotzdem versuche ich, das Wichtigste über "Cal", wie die Uni bis heute abgekürzt genannt wird, zusammen zu fassen.

Die UC Berkeley ist der älteste Campus der University of California, die heute zehn Standorte umfasst. Sie wurde 1868 gegründet. 72 Nobelpreisträger sind mit der Eliteuni verbunden, das sind heutige und ehemalige Mitarbeiter sowie ehemalige Studenten. In den Bereichen der Naturwissenschaften und Forschung gehört Berkeley zur Weltspitze: Die UC Berkeley ist bekannt für herausragende Leistungen in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sowie in den Wirtschaftswissenschaften. Im Shanghai-Ranking aller Universitäten weltweit, das besonders gern in Deutschland zitiert wird, belegt Cal in diesen Fächern im Durchschnitt den dritten Platz. Dabei konkurriert die Universität mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), Harvard und der nahe gelegenen Stanford University - allesamt Privatunis mit entsprechendem Geldfluss.


Parkplatz-Schild: "Reserviert für Nobelpreisträger". Das ist kein Witz!
Es gibt einige solcher Schilder auf dem Campus und da parken auch tatsächlich Autos.

Die UC Berkeley ist dagegen eine öffentliche Universität, wird also zum größten Teil vom Bundesstaat Kalifornien finanziert. Kalifornien gibt im Vergleich zu den restlichen USA viel Geld für Bildung aus, nämlich rund 30 Prozent seines Budgets. Damit ist Bildung auch der höchste Posten von Bundesstaat und Kommunen. Cal finanziert sich zusätzlich von den Erträgen des gut drei Milliarden hohen Stiftungsvermögens und natürlich den Studiengebühren, die überall in den USA üblich sind. Rund 36.000 Studenten sind derzeit eingeschrieben, aber es könnten fünf Mal so viele sein, würden alle Bewerber zugelassen. Dabei kostet ein Studium in Berkeley trotzdem immer noch viel Geld: Ein Kalifornier bezahlt hier circa 5.000 Dollar Studiengebühren im Semester, ein nichtkalifornischer Student drei Mal so viel.  (Zum Vergleich: An privaten amerikanischen Eliteuniversitäten kostet ein Studium pro Semester schnell mal 30.000 Dollar.) 

Ausgelöst vor allem durch die Finanzkrise zieht sich der Bundesstaat aber stark aus der Finanzierung der öffentlichen Universitäten zurück, was mein Mann vor allem an der vergleichsweise dürftigen Ausstattung der Uni selbst erfahren hat. So stehen den Wissenschaftlern zum Beispiel keine eigenen Telefone zur Verfügung, die Computer müssen sie selbst bezahlen und die Professoren leisten sich keine Sekretärinnen. Dagegen wirbt die Uni Berkeley energisch für nichtkalifornische Studenten und lockt vor allem Ausländer an. Wenn man über den Campus spaziert, fallen vor allem die vielen Asiaten auf. Asiatische Amerikaner sind ausnahmslos die größte Gruppe unter den Studenten im Grundstudium (fast 40 Prozent), dazu kommen 13 Prozent internationale Studenten, unter denen ebenfalls viele Asiaten sind. Das lässt erahnen, dass sich die kulturelle Bedeutung der Universität langsam verschiebt. 

Die UC Berkeley ist nicht nur in den Naturwissenschaften herausragend, sondern auch im (linken) sozialen Engagement seiner Studenten. Im kollektiven amerikanischen Gedächtnis stehen Cal und die Stadt Berkeley für unamerikanische Liberale, Gras rauchende Hippies und verbissene Feministinnen. Tatsächlich trat das Free Speech Movement vor genau 50 Jahren hier in Berkeley für Meinungsfreiheit sowie freie Forschung ein und war ein Vorläufer der 1968er Studentenproteste in Europa. Während der Studentenproteste im Herbst 1964 gab es handgreifliche Auseinandersetzungen mit der Polizei, Besetzungen von Unigebäuden und die größte Massenverhaftung in der Geschichte Kaliforniens. Zentraler Sammelplatz der Proteste war das Südtor des Campus (Sather Tower), der zur Telegraph Street führt. Dort finden bis heute Demonstrationen statt und Studenten werben für Engagement in den vielfältigsten Bereichen. Nur sind es natürlich nicht annähernd so viele wie in den 1960ern. Als sich die Wogen um die Herbstunruhen von '64 gelegt hatten, begannen 1965 die Anti-Vietnam-Proteste. Die Studenten des Free Speech Movements sozalisierten sich auch mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA, sie traten für Frauenrechte ein und die Rechte behinderter Menschen.

Das Sather Gate unter dem die protestierenden Studenten durchzogen.



Noch heute spürt man diesen liberalen Geist in Berkeley. Die Stadt unterscheidet sich grundlegend vom restlichen Amerika: angefangen bei der Ausstattung öffentlicher Schulen und Bibliotheken, so dass sich auch die bilden können, die nicht so viel Geld haben, bis hin zur Unterstützung Behinderter und Kranker, die es deshalb nach Berkeley zieht. Dass sich Schwule im öffentlichen Leben der Stadt zeigen, ist genauso normal wie die Verhinderung unliebsamer Großketten wie Walmart. Spricht man mit Weißen hier, sind sie gebildet und haben die Welt bereist.

Ich behaupte aber, dass sich die Aktivisten und Hippies von damals inzwischen etabliert haben. Dass viele heute ihr Haus besitzen, ihrem (Traum-) Job nachgehen, sich nicht selten selbstständig gemacht haben und auch ihr Einkommen erzielen, dass sie in dieser inzwischen extrem teuren Gegend leben lässt. Viele Forderungen von damals sind in Berkeley Konsens geworden, sie gelten in Europa und vielen Teilen der USA, man muss nicht mehr dafür kämpfen. Öffentliche Demos in der Stadt (beispielsweise für faire Löhne) werden heute oft von einer handvoll Rentner - den Alt-64ern sozusagen - begangen. Der Geist der Studentenproteste, der Berkeley immer noch nachgesagt wird, ist auf ein Minimum geschrumpft. Vor allem Asiaten sagt man eher Strebsamkeit nach, das Aufmüpfige liegt der Mehrheit der heutigen Studenten vielleicht nicht. Die immer höher werdenden Studiengebühren ermöglichen ein Studium weiterhin vor allem für die Priviligierten. Schwarze sieht man immer noch vergleichsweise selten auf dem Campus.

Trotzdem wirkt die halb auf dem Berg gelegene Universität inspirierend. Die Gebäude, die meist von ehemaligen Studenten finanziert wurden, sind sehr individuell, manche erinnern an britische Architektur, manche an die Antike. Mein Mann liebt den Campus und lernt viele ambitionierte Wissenschaftler kennen, die ihn anspornen. Ich habe mich mit meiner Kamera auf die Suche nach meinen persönlichen UC Berkeley-Highlights gemacht und zeige sie mit diesem Artikel.

Doe Memorial Bibliothek. Ein Zeichen für Berkely als "Athen des Westens".




Im Lesesaal. Foto: F. Gralle.





South Hall, das älteste Gebäude der Uni (von 1873) und mein Favorit.



Mittwoch, 6. August 2014

Entdeckung im Silicon Valley

Google, HP, Intel, Apple, eBay, Facebook, Wikipedia - das sind nur die bekanntesten Namen aus dem Silicon Valley, der berühmtesten Hightech-Schmiede der Welt. Und da das Silicon Valley den südlichen Teil der San Francisco Bay Area bildet, wir also quasi nur einen Katzensprung davon entfernt leben, stand es auf unserer To-Do-Ausflugsliste. Mein Mann, der noch zu DDR-Zeiten das Löten lernte und deshalb ein echter Nerd ist, hatte sich zusammen mit unserem Besucher (einem Digital Native, der eine Welt ohne Computer gar nicht mehr kennt) auf die Suche nach Firmen gemacht, die Einblick in ihr sagenumwobenes Schaffen bieten. 

Das waren nicht viele: Google oder Facebook bieten keine Betriebstouren an. Bei Apple kann man lediglich in einem auf dem Gelände liegenden Apple Store einkaufen gehen (aber Achtung: nicht am Wochenende!). Nur bei intel, dem Computerchip-Hersteller, standen die Türen in Form eines PR-Museums offen. Da es eines der älteren Unternehmen im Silicon Valley ist, konnten wir hier auch tatsächlich etwas die Geschichte der Hightech-Industrie verfolgen. Das war unsere erste Anlaufstelle.

Der Beweis: Wir waren hier. Falk vor dem intel-Komplex.

Auch unsere Tochter hatte ihren Spaß mit den Touch-Screens in der Ausstellung.


Schmutzpartikel sind verboten in der Computerchip-Herstellung. Deshalb dieses Outfit.

Das Silicon Valley entstand aufgrund der Initiative der Stanford Universität, die ehemalige Studenten in der Region halten wollte und Programme zur Förderung von jungen Unternehmen ins Leben rief. So gründeten William Hewlett und David Packard mit der Unterstützung ihres Professors Frederick Terman bereits 1939 ihre Elektronikfirma hier. HP wurde das erste große unabhängige High-Tech-Unternehmen der Region. Die US Navy und später die NASA hatten zwar bereits einige Arbeitsplätze in der Region geschaffen, aber 60 Kilometer südlich von San Francisco gab es viel Fläche und deshalb Raum für neue Ideen.

In den 1950ern entstand dann der Stanford Park neben dem Campus, kurz darauf siedelten sich weitere Elektronikfirmen entlang der Autobahn zwischen San Francisco und San Jose an. Hier wurde die Tauglichkeit des hochreinen Halbmetalls Silicium als Halbleiter erforscht, wie man es bis heute in der Mikroelektronik, in Computerchips, Speichern und Transistoren, verwendet. Darauf ist der Name Silicon Valley zurückzuführen, der seit Anfang der 1970er für die Ansammlung von Elektronikfirmen im Santa Clara Tal verwendet wurde. Aber eigentlich liegt das Silicon Valley teilweise gar nicht mehr im Tal, so mussten wir feststellen. Der Begriff wird heute aus Prestige-Gründen sehr gerne und vor allem sehr weitläufig verwendet. Spätestens in den 1980ern war klar, dass das Silicon Valley mit ernsthaften Umweltverschmutzungen umgehen musste, da viele unterirdische Tanks leckten und ätzende Flüssigkeiten ins Grundwasser gelangt waren. Anfang des neuen Jahrtausends beschränkten die Folgen der Dot-com-Blase das wirtschaftliche Wachstum in der Region und auch die Wirtschaftskrise 2008 hinterließ ihre Spuren. Die Investitionen in risikoreiche Geschäftsideen von Start-Ups werden aber inzwischen wieder generös getätigt. Etwas mehr als die Hälfte aller Risikokapital-Investitionen der USA fließen ins Silicon Valley, betrachtet man nur die IT-Branche der gesamten USA, sind es sogar mehr als 85 Prozent.


Ein Mikrochip als Makro-Bild vergrößert.

Zu 99,99999 Prozent reines Silicium wird im Silicon Valley verbaut.

Auf meinen Computern klebte immer der Schriftzug "intel inside", der auf die im Gerät verbauten Prozessoren hinweist. 
Die Firma intel wurde 1968 gegründet und stellte zunächst Arbeitsspeicher her. 1974 entwickelte die Firma den ersten Mikroprozessor weltweit. 1978 brachte intel dann die Mikroprezessoren heraus, die IBM ab 1981 in ihrem ersten Personal Computer (PC) verwendete. Mit der Verbreitung der PCs wuchs das Geschäft in den 1980ern und 1990ern. Meinem Mann entlockte der intel386-Prozessor ein sehnsüchtiges Lächeln, der in seinem eigenen ersten PC steckte und seit 1985 gebaut wurde.


"intel inside" - Mikroprozessoren von intel sind in diesem ersten PC von IBM.

Nach dem Museumsbesuch brachen wir auf und wollten nach einem kurzen Mittagessen bei Apple in Cupertino vorbeischauen. Schon in Santa Clara fanden wir es recht dröge. Die Umgebung zeichnet sich durch extrem breite und vor allem viele Autobahnen und Schnellstraßen aus, an deren Ausfahrten entweder Firmen oder Einkausfkomplexe mit (Schnell-) Restaurants liegen. Die Ortschaften verschmelzen und wirken wie ein einziger riesen großer Vorort von einer Stadt, die es aber nicht gibt. Die Wohngegenden sind meist von Schallmauern umgeben und sehen recht austauschbar aus. Insgesamt sieht man den Orten an, dass sie in den letzten 30 bis 60 Jahren im Akkord aus dem Nichts gestampft wurden. Mich persönlich erinnerten sie sogar an die gesichtslosen Neubauviertel Ostdeutschlands, wo es keinerlei kulturelles Leben gibt, kein Flanieren und Verweilen, wo man nur wohnt und arbeitet. Nur dass hier offensichtlich mehr Geld im Spiel war. 

Trotzdem kommen immer neue Arbeitswillige her, darunter vor allem viele (gut ausgebildete) Inder und Chinesen. Deshalb wachsen die Städte weiter im Akkord. Der Anreiz ist verlockend, denn das Einkommen im Silicon Valley war 2011 im Schnitt 62 bis 92 Prozent höher als im US-Landesdurchschnitt und damit das mit Abstand höchste in Kalifornien. Außer in San Francisco natürlich, wo es viele Neu-Reiche aus dem Santa Clara Tal hinzieht. Je nach Zählweise arbeiten im Silicon Valley allein in der High-Tech-Branche rund 500.000 Angestellte, es leben hier circa 3,5 Millionen Menschen (das ist bereits die Hälfte aller Einwohner der gesamten San Francisco Bay Area!).

Der Umsatz, den die High-Tech-Branche des Silicon Valleys im Jahr macht, ist beträchtlich. Im April 2014 wurde eine Studie veröffentlicht, die klarmacht, dass Apple dabei am meisten absahnt: 2013 machte das Unternehmen 174 Milliarden US-Dollar Umsatz, mehr als HP (mit 112 Milliarden) und Google (mit 60 Milliarden) zusammen. Damit erwirtschaftete Apple 37 Milliarden US Dollar Gewinn, mehr als die Firmen auf Platz zwei bis fünf gemeinsam! Außerdem ist Apple mit über 478 Milliarden Dollar die als wertvollste bewertete Firma weltweit. Als wir schließlich im Infinite Loop 1, vor Apples Hauptquartier, standen, konnten wir sehen, warum: Da strömten im Minutentakt Besucher an, die alle ein Foto vom Hauptgebäude schossen (so wie wir) und dann ratlos vor dem verschlossenen Apple-Store standen (ebenfalls wie wir). Die meisten von den Touristen waren technikbegeisterte Asiaten mit ihren i-Phones oder i-Pads. Apple musste sich null anstrengen und keine tolle Museumsshow liefern, und trotzdem zog es hier im Vergleich zu intel Massen an. Das schien uns sinnbildlich für die Aura, die sich um das Unternehmen aufgebaut hat, und durch die Apple im Gegensatz zu anderen Elektronikfirmen so viele Menschen mühelos begeistert. Es gab auch keine Hinweisschilder zum Hauptquartier, deshalb waren wir altmodischen Leute vorher ewig hin- und hergeirrt, nur um enttäuscht zu werden. Denn ja natürlich, wer kein i-Phone mit intergriertem GPS hat, sollte sich eigentlich gar nicht erst hierher trauen!


Auch hier waren wir: Apple-Hauptquartier in Cupertino.

Wir aber mussten feststellen, dass es bei Apple, und auch sonst im Silicon Valley, nichts Spannendes zu sehen gibt. (Später erfuhren wir noch, dass es in San Jose ein allgemeines Technik-Museum gibt, das wir hier aber nicht bewerten können.) Auch die Tatsache, dass es viele Tech-Angestellte nach San Francisco zieht, konnten wir mehr als nachvollziehen. Nur sind sie dort nicht gern gesehen, da sie durch ihr hohes Einkommen die Miet- und Immobilienpreise in die Höhe treiben. Außerdem finanzieren sie weder Museen noch andere kulturelle Einrichtungen, wie das sonst in den USA von Reichen gemacht wird. Das als Gentrifizierung bekannte Problem ist großer Gesprächsstoff in der City und viele Künstler haben Angst um ihre Existenz.

Unsere Entdeckung, dass es es im Silicon Valley nichts zu entdecken gibt, war trotzdem lehrreich. Wir machten uns schließlich mit einem Abstecher bei der privaten Stanford Universität zurück auf den Heimweg. Hier hatten die Väter des Silicon Valleys gewirkt, und vielleicht hätten wir zuerst hierher kommen sollen, denn die Atmosphäre, die Universitätskirche und auch das (kostenlose) Kunstmuseum sind einen Besuch wert. Letztere Zwei waren nur leider schon geschlossen.