Samstag, 1. November 2014

HAPPY HALLOWEEN


Unsere geschnitzen Jack O'Lanterns leuchten im Dunkeln.

Wir wurden gewarnt: An Halloween kämen wir in Amerika nicht vorbei. Außer wir würden den ganzen Abend im Dunkeln sitzen und vorgeben, wir wären nicht zu Hause. Halloween sei der zweitwichtigste Feiertag in den Staaten, gleich nach Thanksgiving (ohne dass es ein offizieller Feiertag ist). Und wir sollten besser vorbereitet sein und genügend "treats" (Belohnungen) bereitstellen! Aber bitte keine Äpfel.

Unsere Dreijährige hatte entgegen ihrer Eltern keine Schwierigkeiten sich in diesem Punkt der amerikanischen Kultur anzupassen: Schon seit Wochen rief sie aufgeregt: "Ein Kürbismann!", wenn sie geschnitze Jack O'Lanters (ausgehölte Kürbisse mit Grimasse) sah. Auch die kleinen Gespenster fand sie eher toll als gruselig, und erschreckte uns aus Spaß: "Boooh!" Andere gruselige Accessoires weckten in ihr nur Neugierde, aber nicht das kalte Grausen. Als sie erfuhr, dass sie sich verkleiden darf, setzte sie sich in den Kopf, ein Cowboy zu sein (keine Prinzessin!) und freute sich riesig darauf, mit den Nachbarskindern von Tür zu Tür zu ziehen. 


Die Kürbisse in unserem Hofeingang leiten den Kindern den Weg zu Süßem.

Ich wollte also dieser inzwischen auch in Deutschland angekommen amerikanischen Tradition auf den Grund gehen. Wir kauften mehrere XXL-Packungen mit abgepackten Süßigkeiten, die es aus diesem Grund in den USA bereits Wochen vor Halloween gibt. Ich besorgte riesige Kürbisse und wir verabredeten uns zum Kürbisschnitzen mit Helenes Freundinnen. Wir lernten, wie man die Gesichter ins Gemüse schneidet und (ganz wichtig!), dass nur in Häusern, vor denen ein Kürbis platziert ist, auch "treats" verteilt werden. Außerdem bestellte ich Helene Cowboystiefel mit dem passenden Hut dazu. Und ich studierte im Netz die Bräuche des Abends vor Allerheiligen.



Ein echtes Cowgirl: mit Stiefeln, Hut, Tuch und schmutzigen Jeans!

Wir waren bereit. Und Helene liebte es! Halloween ist für amerikanische Kinder das, was bei uns Fasching ist. Sie gehen in ihren Kostümen zur Schule, üblicherweise gibt es Umzüge (die fielen in Berkeley wegen stürmischem Regen in diesem Jahr aus). Selbst manche Erwachsene schlüpfen bereits tagsüber in eine Verkleidung oder malen sich ihre Gesichter an. Mit Einbruch der Dunkelheit ziehen die Kindern los. Die ganz Kleinen dürfen etwas früher gehen, in Begleitung der Eltern (so lernt man wunderbar seine Nachbarn kennen!). Die Kinder klingeln in ihrer Verkleidung an den Türen und rufen: "Trick or Treat!" (etwa: Streich oder Belohnung.) Wer dann nichts Süßes liefert, hat heutzutage nicht einmal einen Streich zu fürchten, außer vielleicht dass sein Vorgarten mit Klopapier verziert wird. Mit stolzgeschwellter Brust trug unsere Tochter ihre Süßigkeiten in ihrer Halloween-Tasche umher (manche der älteren Kinder verwenden sogar Kopfkissenbezüge zum Tragen der vielen Schätze - so kräftig langen sie zu). Als es dann später bei uns klingelte, war Helene regelrecht aus dem Häuschen! Der Verzehr der Schokolade und Bonbons erledigte den Rest: Wir mussten ein total aufgekratztes und übermüdetes Kind überzeugen, ins Bett zu gehen. Das klappte nur, als wir schließlich die Kerzen in unseren Kürbissen ausbliesen und das Gartentor verriegelten, so dass uns keine anderen Kinder mehr zu nahe kommen konnten.


"Kürbismann" in einem Nachbargarten.

Halloween ist also vor allem ein Spaß für die Kinder, die Süßigkeiten in Bergen anhäufen und danach wie unsere Dreijährige einen Zuckerschock erleiden. Teenager und Twenty-Somethings üben sich lieber im ironischen Gruseln oder gehen auf Monster-Partys. Horrorfilme an Halloween zu sehen hat auch eine gewisse neuere Tradition, gerne werden Elemente aus den Filmen in den Kostümen oder der Gartendeko verwendet. Manche Familie macht aus den Gemüsebeeten sogar einen Friedhof. Den wenigsten ist wohl der Ursprung des Festes wirklich ein Begriff, denn Halloween ist ein katholisches Fest. Im Englischen leitet sich das Wort von "All Hallow's Eve" ab, es handelt sich schlichtweg um den Abend vor Allerheiligen. Ebenso wie Weihnachten oder Neujahr wird der Festtag bereits mit dem Sonnenuntergang des Vortages eingeleitet und steht damit in der Tradition biblischer Feiertage. 

Halloween wurde von den katholischen Iren nach Amerika gebracht und hier schnell von allen Konfessionen übernommen.  Erst hier wurde die ursprüngliche Rübe durch den Kürbis ersetzt. Das Rübengeistern gibt es in der Erntezeit oder den Tagen um Allerheiligen auch in verschiedenen deutschen Regionen und gleicht der amerikanischen Tradition auffällig (nur das Verkleiden der Kinder fehlt).  Auch werden in katholischen deutschen Gebieten Grablichter an Allerseelen für die Verstorbenen angezündet (dem Tag nach Allerheiligen). Das Trick-or-Treating hat wahrscheinlich seine Wurzeln im Umherziehen armer Kinder, die für ein Seelen-Gebäck ein Gebet für die Verstorbenen aufsagten (u.a. in Deutschland, England und Italien). Wie bei allen Volksbräuchen ist es inzwischen schwer zu sagen, welche ursprüngliche Wurzel die Traditionen von Halloween haben. Gewisse keltisch-heidnische Einflüsse gibt es wohl neben den christlichen, die Wissenschaft streitet aber, welche überwiegen. So war beispielsweise das Wahrsagen von Liebesdingen an dem Abend vor Allerheiligen lange verbreitet.


Vorgärten werden in den Tagen vor Halloween zum Gruselkabinett.

Natürlich ist Halloween in Amerika vor allem stark kommerzialisiert. Kostüme, Deko, Kürbisse und Süßigkeiten füllen Wochenlang die Regale. Großmütter verschicken Halloween-Postkarten an ihre Enkel. Bauern veranstalten Kürbis-Feste. Es fließt eine Menge Geld, wenn auch nicht so viel wie zu Weihnachten. Dass das Fest nach Deutschland gekommen ist, hat übrigens auch rein marktwirtschaftliche Gründe. Als wegen dem Golfkrieg 1991 der Karneval in Deutschland ausfiel, beschloss eine handvoll Geschäftsmänner der Spiel- und Faschingsindustrie, das amerikanische Fest in Deutschland einzuführen. Deshalb boten sie ihre Hexenkostüme einfach schon im Oktober an. Inzwischen ist auch in Deutschland ein gutes Geschäft daraus geworden, mit jährlich rund 30 Millionen Euro Umsatz. Süßigkeitenhersteller und Bauern verdienen ebenfalls nicht schlecht. 

Ob wir diese amerikanische Tradition nach Hause mitbringen, wird sich zeigen. Unsere Tochter ist wegen der Süßigkeiten bestechlich. Ich finde die Kürbisse ja schon an sich schön und das Kürbisschnitzen ist eigentlich so leicht, dass ich bereits Kürbisschnitzmesser besorgt habe. Aber mein grummeliger Gatte konnte es schon im letzten Jahr nicht leiden, als vor unserer Leipziger Tür ein paar nervige Kinder Süßes verlangten. Ich hatte ihnen Äpfel gegeben.


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