Donnerstag, 11. September 2014

Geisterstadt in Calaveras




Die goldenen Hügel im Calaveras County in der Nachmittagshitze.

Meine absolute Chemnitzer Lieblingsband heißt Calaveras. Das Wort ist spanisch und heißt "Schädel". In Kalifornien, wo 1848 der Goldrausch ausbrach, machten sich viele Glücksritter auf den Weg, unter anderem an den Calaveras River in Zentralkalifornien. Der Fluss wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von den Spaniern so genannt, weil sie viele Schädel von Indianern dort fanden. Man nimmt heute an, dass die Ureinwohner von spanischen Soldaten getötet wurden, weil sie sich gegen deren Missionare zur Wehr setzten. Der Calaveras County (ein Verwaltungsbezirk in der Sierra Nevada) wurde in der Jahrhundermitte gegründet und ein zentraler Ort des Goldrausches. Heute zeugen nur noch Überbleibsel vom damaligen Aufbruch. Einige Orte sind zu Geisterstätten geworden, als das Gold ausgeschöpft war, und es sind nur noch wenige Ruinen geblieben. Andere schrumpften zu beschaulichen Orten zusammen, wie wir es derzeit aus Ostdeutschland kennen: Manchmal steht die Hälfte der Gebäude leer. 

Nicht nur deshalb passt die Musik der Chemnitzer Band zu meinem heutigen Text. Sie spiegelt auch etwas von dem kurzen, aber heftigen Goldrausch wider, der Kalifornien den Beinamen "Golden State" einbrachte. Hier vermischen sich Hoffnungen, Einsamkeit und staubige Hitze. Die Lieder erwecken auch Bilder von Schießereien, von Trinkgelagen in Saloons und man meint Pferde im Hintergrund davonreiten zu hören. Genauso war es im Wilden Westen Kaliforniens Mitte des 19. Jahrhunderts; so jedenfalls stelle ich es mir nach unserer Reise ins Gold Country vor. Deshalb möchte ich den geneigten Leser (und Betrachter meiner Bilder) dazu einladen, die Musik von Calaveras im Hintergrund abzuspielen. 



Nur noch die Vorderfront steht vom einst beliebten Friseursalon Ferdinand Bachs.

Mokelumne Hill war einst Verwaltungssitz des Calaveras County und eine der reichsten Städte während des Goldrausches. Heute leben noch rund 700 Menschen dort. Als 1848 in der Region Gold entdeckt wurde, war bald auch die Gegend entlang des Mokelumne Rivers, die Heimat des Indianischen Miwuk-Stammes, von Goldgräbern überlaufen und die kurzerhand gegründete Stadt wurde schnell der wirtschaftliche und soziale Mittelpunkt des Distrikts. Mexikaner brachten das nötige Wissen über Goldminen mit. Man sagt, die Golderträge waren so hoch, dass die Goldgräber lieber hungerten, als in einer größeren Stadt Lebensmittel zu kaufen. Als sich doch schließlich einer aufmachte, wurde er als Händler sehr reich.

Die kosmopolitische Bevölkerung bestand außer aus Mexikanern und Amerikanischen Yankees noch aus Franzosen, Deutschen, Chinesen, Iren, Juden und Chilenen. 1850, zwei Jahre nach seiner Gründung, war Mokelumne Hill mit rund 15.000 Einwohnern eine der größten, aber auch unzüchtigsten Städte der Gegend. 1851 wurde 17 Wochen hintereinander jeweils mindestens ein Mensch ermordet. Nachdem 1854 ein Feuer die schnell zurecht gezimmerten Holzhäuser größtenteils verbrannt hatte, bestanden die Deutschen auf eine Bauweise aus Steinen. Viele dieser Gebäude stehen noch heute, manche werden aber nicht mehr genutzt. Bereits 1866 war ein Großteil der Goldvorräte erloschen und der Verwaltungssitz des Countys wurde nach San Andreas verlegt. Der größte Teil der internationalen Bevölkerung zog weiter, der Rest wurde zu Viehzüchtern. Heute sind 95 Prozent der Bevölkerung Weiße.


Der Dodge ist in den 1950er Jahren hier abgestellt worden, 
davon zeugt noch das Nummernschild. Seitdem rottet er vor sich hin.


Erstmalig außerhalb der Küstenregion: Ein dreistöckiges Haus,
erst Laden, dann Express-Büro, später Wells Fargo-Bank.


Die erste Cengregational Church im Bundesstaat Kalifornien steht am Ende 
der Hauptstraße, aber nicht in der Dorfmitte wie im alten Europa.

Das Hotel Leger besteht aus dem früheren Landratsamt des Calaveras County und 
dem späteren Anbau. Seit über 160 Jahren ist der Saloon sozialer Treffpunkt des Ortes.

Wir bezogen für eine Nacht unser Zimmer im historischen Hotel Leger in Mokelumne Hill. Die Einrichtung und das Gemeinschaftsbad im Flur erwecken Bilder vergangener Tage. Im übrigens ganz passablen Restaurant des Hotels kamen wir mit einem Rancher aus dem Ort ins Gespräch. Der Rinderzüchter stammt von einem Iren ab, der als Goldgräber nach "Moke Hill" kam und zum Bauer wurde, als das Gold ausgeschöpft war. Inzwischen hat auch unser Gesprächspartner hier Enkel. "Mokelumne Hill ist eine Geisterstadt." sagte er zu uns. "Hier sieht alles so aus wie in meiner Kindheit, die Vergangenheit wurde konserviert." Und selbst seine Freunde, die einst den Ort in ihrer Jugend verließen, kämen gerne zurück, weil sich nichts im Ort geändert hat. Im sich schnell wandelnden Kalifornien etwas außergewöhnliches!


Knarzende Dielen, ein Gemeinschaftsbad im Flur, schwere Vorhänge und Betten so hoch,
dass man kaum hineinklettern kann. Heute kann man hier die alten Zeiten nachempfinden.

Das Leger ist eines der längsten geöffneten Hotels in Kalifornien.


Hier wurde viel getrunken: Gleich neben dem Hotel dieser weitere
ehemalige Saloon. Gegenüber befanden sich zwei Schnapsläden.

Auch das Union House, 1854 gebaut, war einst Hotel mit Speiseraum und Bar,
inklusive einer Billardplatte!


Früher hatte der Sheriff hier viel zu tun: Der Goldrausch zog viele Kriminelle an.


Nach unserer Nacht in Mokelumne Hill in Calaveras machen wir uns entlang des Highway 49 auf die Suche nach weiteren Semi-Ghosttowns, Halb-Geisterstädten. Wir fahren nördlich in den Amador-County, an Jamestown vorbei. Das verschlafene Volcano liegt abseits des Highways und ist weniger touristisch aufpoliert als die anderen Städte. Zurück auf dem Highway 49 geht es nach Sutter Creek, der "Perle des Gold Contrys" - auch dort stehen ehemalige Gebäude leer, weil die Bevölkerung schrumpft. Es sind nur nicht Überbleibsel aus dem Goldrausch, sondern jüngere: eine ehemalige Schlosserei und eine alte Tankstelle.


Die noch gut erhaltene Goldmine in Jacksonville.


Eingang zum Dorfkonsum in Volcano: "Keine Schuhe, Kein Hemd, Kein Service"


Drinnen ist die Hälfte der Verkaufsregale zum Museum umfunktioniert.


Hinter der einsamen Vorderfront befindet sich heute ein Freilichttheater.


Drei Mal abgebrannt, bis es endlich aus Steinen gebaut wurde: Das Hotel in Volcano.

Beschauliches Sutter Creek.


Die Hauptstraße wirkt wie ein Museum, ist aber ganz belebt.





Die alte Shell-Tankstelle in Sutter Creek.




Aus dem Fenster der ehemaligen Schlosserei wächst ein Baum.
Die Werkgebäude stehen schon lange leer.


Auch manche Autos haben Museumscharakter, sind aber noch aktiv im Straßenverkehr.







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen