Sonntag, 5. Oktober 2014

Was ich an Amerika vermissen werde

Ich habe versprochen, dass ich die mir verbleibende Zeit in Kalifornien nutze, das Land zu genießen. Und dass ich berichte, was ich an Amerika liebe. Denn das fällt nicht unbedingt leicht, wenn man mit bürokratischem Alltagskram seine Zeit verbringt und alles Neue nur Streßhormone freisetzt, und zwar negative.

Inzwischen ist aber nicht mehr alles neu, wir sind viele Alltagsdinge gewöhnt, haben einige Kontakte geschlossen (meistens mit anderen Ausländern).  Langsam stellt sich sogar die Wehmut ein, denn in weniger als zwei Monaten geht es nach Hause. Zudem ist der Herbst bisher die schönste Jahreszeit. D.h. weniger kalter Nebel versperrt uns die Sicht zur Sonne und die Blätter färben sich wunderschön rot. Gerade erleben wir (Anfang Oktober!) eine Hitzewelle mit Höchsttemperaturen bis 35 Grad Celsius. Was kann man sich da Schöneres vorstellen, als am Wochenende an den Pazifik zu fahren und sich den kühlenden Wind um die Nase wehen zu lassen? Ich schreibe das nicht, um zu Hause anzugeben, sondern aus Dankbarkeit. Ich glaube, dass ich inzwischen eine Balance gefunden habe, die nervigen Angelegenheiten bei Weitem mit dem Schönen zu überwiegen. Und manchmal sind es sogar ganz praktische Dinge, die ich schätzen gelernt habe. Hier meine persönliche Liste:

  • Die Pazifikküste (je rauer, desto besser!).
  • Die netto mehr Sonnenstunden als in Deutschland. Zwar trifft das auf den Sommer nicht zu, im Jahresschnitt aber natürlich doch. (Damit verbunden sind die netto weniger Kältestunden.)
  • Meine Arbeit im Botanischen Garten: Jedesmal wenn ich durch das Eingangstor komme, atme ich auf. Das Tun kombiniert mit der wunderschönen Umgebung bewirkt in mir die beste Meditation.
  • Die für uns Deutsche exotischen Pflanzen, die hier auch außerhalb des Botanischen Gartens wachsen.
Im Golden Gate Park in San Francisco.
  • Die vielen wilden Tiere, die wir hier oft ganz nah erleben. Heute waren es wieder eine handvoll Hirsche und eine riesen Truthahn-Gang.
  • Meine gesunde Hautfarbe (meine Haut hat allerdings ein halbes Jahr gebraucht, sich an die Sonne zu gewöhnen, wirklich!).
  • Die unvorstellbar große und gute Auswahl an Obst und Gemüse (frisch vom Feld!).
  • Die ebenso riesige Auswahl an verschiedenen Küchen und Restaurants, so dass man Essen aus den verschiedensten Erdteilen genießen kann.
Meine französische Lieblingsbäckerei auf Solano Ave. hat leider inzwischen geschlossen.
  • Die praktischen und oft sehr leckeren Lunch-Bars in Supermärkten. Und dass man überall Schachteln, Becher und Besteck zum Mitnehmen bekommt. Das macht den Einkauf für ein spontanes Picknick unheimlich einfach.
  • Die manchmal vielleicht etwas überhebliche, aber nichtsdestotrotz natürlich gute Gourmet-Auswahl der California Cousine. (Es wird einfach in San Francisco und Berkeley, und sicher noch ein paar Orten mehr, extrem viel Wert auf gutes Essen gelegt und deshalb gibt es auch so viel gute, biologische und regionale Auswahl.)
  • Dass man hier ÜBERALL kostenlos Trinkwasser bekommt. Nicht nur in Restaurants und Supermärkten, sondern auch auf dem Flughafen, auf dem Uni-Campus, auf Spielplätzen, in Parks und am Strand.
  • Dass man in den "Californian State Parks" (also den Erholungsgebieten, die der Bundesstaat Kalifornien finanziert) kostenlos praktische und informative Flyer mit Landkarten bekommt.
  • Den positiv ansteckenden Ehrgeiz, etwas mit seinen Talenten anzustellen. (Es ist zwar zugegebenermaßen leicht, ins Extrem zu fallen, und daraus den amerikanischen Konkurrenzdruck zu entwickeln. Aber der Glaube, dass jeder der Gesellschaft etwas geben kann, mit seiner besonderen Gabe, ermutigt auch Menschen, in Nischen zu leben und Neues zu entwickeln.)
"Schottischer" Musiker beim Straßenfest "Solano Stroll".
  • Dass deshalb auch jeder etwas durchgeknallt sein kann und seinen persönlichen Spleen pflegen darf.
  • Helenes Tagesvater und sein "Greenhouse". Wir haben lange nach der richtigen Betreuung gesucht und die letzte Möglichkeit war ein Glückstreffer. Nicht nur Helene fühlt sich dort zu Hause, sondern auch ich. Wir haben beide viel von André gelernt. Jeden Abend dankt Helene beim Beten für André und ihre Freunde dort. Und deshalb spricht Helene auch inzwischen ein lustiges Kauderwelsch aus Englisch, Deutsch und etwas Spanisch.
  • San Francisco.
  • Dass die Ampeln auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und man sich nicht den Hals verrenken muss, um sie zu sehen.
  • Dass die Namensschilder der großen Querstraßen groß und vor allem deutlich sichtbar angebracht sind, so dass man sich beim Autofahren in der Stadt einfach orientieren kann.
  • Die Super-Sales. Sommerschlussverkauf in Deutschland ist lahm dagegen! In Amerika gibt es Aktionen, wo man auf die gesamte reduzierte Ware nochmal 40 oder 50 Prozent Rabatt bekommt. Auch wenn Lebensmittel teurer sind als zu Hause, Kleider sind es so zum Glück nicht.
  • Estate Sales. Die Haushaltsauflösungen, wo das gesamte Haus zur Begehung offen steht, man Einblick in das Leben und Wohnen hier bekommt und nebenbei oft beste Schnäppchenkäufe für Qualitätsprodukte (oder Kuriositäten) tätigen kann, sind meine heimliche Leidenschaft geworden.
Wohnung mit Preisschildern: Alles muss raus! Ein Designer-60er-Jahre-Haus.

P.S. Forstetzung folgt ...



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