Dienstag, 22. Juli 2014

Essen in Amerika #5: California Cuisine

Dass Kalifornien eine eigene Küche besitzt, liegt nahe: Schließlich ist der Bundesstaat der größte Lebensmittelexporteur des Landes und das Klima für den Anbau einer reichen Auswahl an Obst und Gemüse bestens geeignet. Nicht zuletzt startete an der Pazifikküste die Ökobewegung, die zahlreiche Biobauernhöfe hervorgebracht hat. 


Versteckt auf  Shattuck Avenue im Gourmet Ghetto steht das Chez Panisse.

Und wir befinden uns im - man kann schon sagen - historischen Zentrum der kalifornischen Kochgeschichte. Denn neben der Universität, ist das Restaurant "Chez Panisse" die wohl bekannteste Institution der Stadt Berkeley, darauf machte uns schon jede zweite Wohnungsanzeige aufmerksam, die wir in Vorbereitung auf unseren Aufenthalt hier lasen. Mit der Eröffnung des Gourmettempels begründeten Besitzerin Alice Waters und ihr Chefkoch Jeremiah Tower 
1971 den Trend der California Cuisine, der besagt, nur frischeste und selbstverständlich saisonale,  biologisch angebaute und aus der Region stammende Produkte zu verwenden. Im Restaurant wird deshalb pro Abend nur ein Menü angeboten. Im etwas preisgünstigeren Café, das 1980 das Angebot erweiterte, dürfen die Gäste à la carte wählen. Tische können jeweils nur vier Wochen im Voraus reserviert werden und sind rasend schnell ausgebucht. Ich konnte gerade noch einen Tisch für zwei  im Café an einem Montag Abend um sieben ergattern, denn wir hatten den Luxus eines abendlichen Babysitters!


Die Karte - nur für einen Abend und mit eigenem Design.

Wir haben also den Selbsttest gewagt, der uns umgerechnet gut 100 Euro gekostet hat: es war fabelhaft! Die Atmosphäre im Café war durch die japanisch inspirierte Einrichtung klar und trotzdem intim. Die Kellner waren diskret und gleichzeitig amerikanisch zuvorkommend höflich. Das gediegene Publikum schien ein Mix aus langjährigen Berkeleyer Stammgästen und Touristen aus aller Welt zu sein, uns eingeschlossen. Mein sparsamer Gatte überredete mich sogar, den Abend mit einem feierlichen Kir Royal zu starten, denn ein zweites Mal will er sich das Vergnügen nicht leisten. Erstaunlich für mich war vor allem, dass die Kleinigkeiten einen riesen Unterschied machten: Beispielsweise war das Salatdressing so unglaublich lecker (und dabei so einfach, da es nur aus Olivenöl und etwas Essig bestand), dass wir uns voller Genuss die Salatblätter auf der Zunge zergehen ließen. Das war für mich der Beweis, dass die genaue Auswahl der Zutat doch den entscheidenden Unterschied macht! 


Die California Cuisine bedient sich in einem sehr selbstbewussten Mix der französischen und italienischen Küche und noch einigen Einflüssen mehr. Darauf weist schon der Name "Chez Panisse" hin, der einem französischen Filmklassiker entnommen ist. Alice Waters ließ sich vor allem von französischen Landgaststätten inspirieren, die anbieten, was es gerade auf dem Markt frisch zu kaufen gibt. Unsere Hauptgerichte  spiegelten das ebenso wider: Mein Mann wählte Pasta mit Thunfisch und ich Lammfleisch mit Kartoffeln und Bohnen. Das Lamm war zart und wohlschmeckend. Das Fleisch und der Fisch stammen ebenso wie die anderen Zutaten aus einem kleinen Netzwerk von lokalen Zulieferern, das sich Waters im Laufe der Jahre aufgebaut hat. Eine Offenbarung waren aber nicht die Hauptgerichte, sondern die Nachspeise und die im Café selbst hergestellten Getränke: Ich probierte eine Limonade aus frischen Sommerfrüchten und aß dazu das sündigste Schokoladeneis mit Karamelsoße, das ich jemals gekostet habe! 



Kir Royal und Wasser - Gläser und Karaffen mit Chez Panisse-Logo.

Ihre Rezepte behält die Lebenmittelaktivistin Waters, die sich bereits als Studentin in Berkeley im Free Speech Movement engagierte, übrigens nicht für sich. Sie publiziert regelmäßig Kochbücher, auch für Kinder, setzt sich für eine bewusste Ernährungserziehung in der Schule ein und beeinflusste auch die First Lady bei der Zusammenstellung ihres Gartens im Weißen Haus. Das Restaurant wurde häufig ausgezeichnet, bekam bereits den Preis für das beste Restaurant Amerikas (2001) und gilt als eines der besten 50 weltweit. Der Dalai Lama und Bill Clinton waren bisher die berühmtesten Gäste hier. Zahlreiche Ex-Mitarbeiter spielen inzwischen eine bedeutende Rolle in der kalifornischen Restaurant-Landschaft. Doch gerade in der Anfangszeit machte das Team um Alice Waters Durststrecken durch, so stand die Finanzierung des Restaurants lange auf wackligen Füßen und der Crew sagte man ausschweifende Parties und Drogenkonsum nach. Bereits zwei Mal brannte es im Chez Panisse, erst 2013 musste der Betrieb für vier Monate eingestellt werden, damit die Vorderfront wieder hergerichtet werden konnte.


Zwei der Chez Panisse-Kochbücher.

Ob Waters nun tatsächlich die Kalifornische Küche gegründet hat, oder nur mehrere Köche zur gleichen Zeit einen ähnlichen Riecher hatten, sie sich aber am besten verkauft, bleibt dahingestellt. Im benachbarten Oakland speisten wir bereits im fast so bekannten und etwas preisgünstigerem Bay Wolf, das 1975 eröffnet wurde. Wer aber wie wir in Berkeley lebt, und sei es nur kurz, der ist geradezu verpflichtet, mindestens ein Mal in dieser Institution der California Cuisine vorbeizuschauen. Uns hat es dort gefallen, auch wenn es nicht unbedingt unsere Preisklasse ist.


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