Montag, 28. Juli 2014

Verborgene Schönheit


An dem Tag, an dem wir unser Auto kauften und somit endlich mobil waren, hatte ich große Pläne: Ich überredete meine Familie zu einer Ausfahrt zum Point Reyes National Seashore, einem Naturschutzgebiet, das nördlich von uns auf einer Halbinsel im Pazifik liegt. Die Fahrt dorthin entlang der Küste auf dem "Highway 1" dauerte zwar ewig, entschädigte uns dafür aber mit traumhaften Aussichten auf die Steilküste. Es war Mitte April, die Sonne brannte vom blauen kalifornischen Himmel und halb San Francisco schien auf dem Weg zum Strand zu sein. Da unsere Tochter ungewöhnlicherweise im Auto eingeschlafen war, fuhren wir ohne Stopps an den wunderschönen Aussichtspunkten durch bis zu unserem Ziel: dem Leuchtturm an der südlichen Spitze der Halbinsel. Hier kann man zwischen November und Mai sogar Wale sichten, wenn man Glück oder Geduld zum Warten hat!

Je näher wir aber unserem Ziel kamen, desto klarer wurde uns, dass wir keine klare Sicht hatten: Es zog Nebel auf, der sich langsam verdichtete. Als wir endlich auf dem völlig überfüllten Parkplatz des Leuchtturms ausstiegen, sahen wir nicht einmal 50 Meter weit! Die südliche Spitze des Point Reyes war vollkommen in eine große Wolke gehüllt. Wir sahen weder das Meer, geschweige denn Wale! Auch der Leuchtturm versteckte sich im Nebel. Außerdem war es kalt wie im Leipziger Winter, vom Pazifik her wehte eine frische Brise. Auf der Rückfahrt mussten wir feststellen, dass sich der Nebel inzwischen an der restlichen Küste breitgemacht hatte und es jetzt auch keinen Sinn mehr hatte, an den Aussichtspunkten zu halten. Wir hatten nämlich keine Aussicht mehr! Wir saßen also mehr als vier Stunden im Auto für einen halbstündigen Spaziergang durch kalten Nebel, der an steilen Felsen entlang waberte.

Der Leuchtturm am südlichen Ende der Treppe ist nicht zu sehen.

Aber irgendwie habe ich daran geglaubt, dass die verborgene Schönheit doch eine weitere Reise wert ist. Und gestern machten wir uns erneut auf den Weg an den Pazifik zum Point Reyes. Da es im Landesinneren um die 40 Grad Celsius heiß werden sollte und auch in Berkeley Temperaturen jenseits der 30 Grad angesagt waren, flohen wir in die Kühle der Pazifikküste. Wir hatten uns die Drakes-Bucht auf der Halbinsel ausgesucht, die einen richtig schönen langen Sandstrand aufweisen kann (kommt hier nicht so häufig vor!) und auch die Strecke (über den Francis Drake Boulevard), die wir diesmal ausgesucht hatten, sollte kürzer sein. Der englische Weltumsegler und Freibeuter Francis Drake hatte 1579 vor der Pazifikküste Halt gemacht. Die Bucht, versteckt und windgeschützt hinter dem Point Reyes gelegen, ist seine wahrscheinlichste Ankerstelle. Zudem erinnert die Steilküste hier sogar an Drakes Heimat England. Bevor Francis Drake in Richtung Südsee aufbrach, rief er bei seinem einzigen Halt in Nord-Amerika die englische Herrschaft von Königin Elisabeth I. aus. Allerdings ohne nachhaltige Wirkung, denn die Engländer machten davon später nie Gebrauch, die Westküste Amerikas ist ja nun auch etwas weit abgelegen ... 

White Cliffs von  Dover oder doch sie Steilküste in der Drakes Bay?

Unsere Fahrt zur Drakes-Bucht mit dem Auto ging leider wieder schleppend voran und der Nebel hing zuverlässig über der Südspitze der Halbinsel. Aber wenigstens lag die Bucht so vor dem Nebel geschützt, dass es perfekt für uns war: Nicht zu heiß, denn hin und wieder zog ein frischer Wind vorbei, dabei so warm, dass wir uns sonnen und picknicken konnten. Und schließlich stellten wir fest - das hatten wir gar nicht mehr für möglich gehalten - dass sich der Pazifik in der Bucht so aufgewärmt hatte, dass wir tatsächlich baden gehen konnten!  Die Temperatur fühlte sich zwar eher nach Ostsee an, dafür war das Wasser erfrischend, sehr salzig und irgendwie auch samtweich. Kurz: Es war herrlich! Auch unsere Tochter machte uns das Geschenk, dass sie die beste Laune des Jahres hatte und wunderbar zufrieden und glücklich sein konnte. Obendrein begegneten uns rund ein Dutzend Hirsche auf der Halbinsel, zwei davon (leider nur in der Ferne zu sehen) waren nordamerikanische Wapitis mit mächtigen Geweihen, die hier im Naturschutzgebiet leben.

Wir trafen auf viele Schwarzwedelhirsche. Dieser war besonders schön!

Mein Gatte überredete mich schließlich sogar, noch einmal zum Leuchtturm am Point Reyes zu fahren. Der Nebel hielt sich in Grenzen und wir konnten bestaunen, was wir das letzte Mal verpasst hatten (außer die Wale). Jacken mussten wir natürlich trotzdem tragen, denn die Temperaturen im Nebel sinken schnell mal um die fünf bis zehn Grad Celsius. Hier noch ein paar Bilder von der einst im Nebel verborgenen Schönheit (zum Vergrößern die Bilder anklicken!): 




Diesmal in voller Pracht zu erkennen: Der Leuchtturm auf Point Reyes.




Vom Wind gekrümmte Bäume, die sich ganz dem Felsen angepasst haben.

Der Point Reyes Strand ist so lang, dass der Nebel sein Ende verhüllt.

Auf der Innenseite der Halbinsel liegt die Drakes Bucht mit ihrer Steilküste.




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