Donnerstag, 16. Oktober 2014

Art Deco made in USA

Leuchtreklame am Broadway in Oakland: Bob Dylan ist der nächste Gast im Paramount Theatre.

So etwas hatte ich nicht erwartet! Ein paar Schnörkel neben der Leinwand und eine schöne Eingangstür - so in etwa malte ich mir das Innere der Art Deco-Kinos in Oakland aus, von denen ich bereits bei unserer Wohnungssuche auf Wikipedia gelesen hatte (noch in Deutschland im letzten Winter). Mir war damals bereits klar, dass ich mir das echt und in Farbe ansehen musste. Doch hatten wir zuerst kein Auto, einen Babysitter noch lange nicht und eigentlich waren wir jeden Abend so erschöpft, dass mich unser Besucher geradezu zwingen musste, doch noch auszugehen.


Ich war eingestimmt auf eine Vorführung des amerikanischen Klassikers "Breakfast at Tiffany's". Den Film hatte ich schon mehrere Male auf Deutsch gesehen, das Buch von Truman Capote - übrigens mit einem anderen Ende - geradezu verschlungen. (Die Kinoabende mit Filmklassikern im Paramount Theatre finden einmal im Monat statt und kosten nur fünf Dollar.) Als wir nach einer hektischen Parkplatzssuche an einem Freitagabend in Downtown Oakland das Gebäude betraten, haute es mich um! Das war kein Kino, das war ein Palast! Vergleichbar höchstens mit europäischen Opern in Großstädten. Hier hatte sich der Art Deco-Architekt Timothy Pflueger ein Denkmal gesetzt, das mir einerseits übertrieben erschien, aber es mit Leichtigkeit schaffte, Begeisterungsstürme in mir auszulösen. Jedes Detail sitzt, selbst die Sofabezüge in den Warteräumen vor den Toiletten. Ganz zu schweigen von der Eingangshalle, den Aufgängen und dem Kinosaal selbst!


Deshalb ist dieses Kino, das 1931 eröffnete, für mich so sinnbildlich für Amerika: Es ist eine riesen Show, aber es erzeugt Hingabe. Nicht selten sind die Zuschauer wie die Figuren aus den Filmklassikern gekleidet (zumindest macht sich jeder hübsch - und das will in Kalifornien, dem gelobten Land der Casual- und Sport-Mode, etwas heißen!). Schon bei den einleitenden Werbe- und Nachrichten-Kurzfilmen applaudiert das Publikum stürmisch. Eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginnt spielt der Organist die Wurlitzer-Orgel vor dem roten Vorhang. Bevor der Hauptfilm beginnt, wird noch eine Pause für ein Gewinnspiel eingelegt - eine riesen Show eben. Die Filmklassiker schauen Fans und Filmstudenten an, die Zuschauer gehen emotional bei der Handlung mit, buhen schon mal den Bösewicht aus oder jubeln bei Triumphen der Helden. Nach der Vorführung kann man sich noch weiter das Kino anschauen und fotografieren. Touren zur Architektur des Paramount Theatres gibt es außerdem Samstags.


Ich musste hierher zurückkommen, wollte dieses Kultur-Erlebnis mit meinem Gatten teilen (und endlich fanden wir auch den Babysitter dazu). Diesmal wurde Roman Polanskis Chinatown gezeigt, ich liebe diesen Film und mein Mann hatte ihn noch nicht gesehen. Die Geschichte um eine künstlich erzeugte Dürre in L.A. passt natürlich auch zur lang anhaltenden Dürre in Kalifornien. Die tragische Liebesgeschichte, ebenso Charakterstudie und Kriminalfilm, die in den 1930ern spielt, faszinierte uns beide und war geradezu prädestiniert in diesem Kinopalast vorgeführt zu werden!


"Palace" war anscheinend in den 1920ern  und 30ern auch tatsächlich das Wort, was für diese Mehrzweckkinos verwendet wurde. Paramount war damals nicht nur eine Filmproduktionsfirma, sondern unterhielt ebenso eine erfolgreiche Kinokette und war Bauherr des Gebäudes am Broadway in Oakland. Timothy Pflueger, Sohn deutscher Immigranten und Architekt aus San Francisco, erhielt den Auftrag. Er war ebenso mit dem Castro Theatre in San Francisco, Hochhäusern und Bars beauftragt worden und zählt zu den berühmtesten Architekten der City. Er war außerdem am Bau der Bay Bridge beteiligt und Mitbegründer des San Francisco Museum of Modern Art, sein Stil prägte die San Francisco Bay Area. 

Von Anfang an war die Spielstätte am Broadway in Oakland als Multizweckgebäude gedacht. Sie kostete rund drei Milliarden Dollar. Kostpielige Materialien, wie Teakholz und italienischer Marmor, wurden verwendet. Pflueger arbeitete mit bekannten Künstlern und Designern zusammen und erschuf so eine Stätte, die von Kunsthandwerk geradezu überquillt. Nicht einmal ein Jahr nach der Eröffnung im Dezember 1931 konnte das Kino die laufenden Kosten von 27.000 Dollar pro Woche nicht mehr aufbringen und musste schließen. Nach über einem Jahr und dem Verkauf konnte das Haus als reines Kino wieder eröffnen und stand unter rigiden Sparmaßnahmen, das Orchester wurde einfach gestrichen. Der Name "Paramount" wurde allerdings beibehalten. Bis 1970 konnte es im Konkurrenzkampf um Kinobesucher bestehen, dann schloss es abermals. Inzwischen gehört das Kino der Stadt Oakland und wird von einer gemeinnützigen Gesellschaft verwaltet. Heute ist das Paramount Theatre in Oakland kein reines Kino, sondern Stammhaus der Sinfonie und des Oakland Ballet. Außerdem finden regelmäßig Konzerte aller Stilrichtungen statt. Die "Classic Movie Nights" sind legendär. So ist es schließlich doch noch zu dem geworden, was eigentlich seine Bestimmung war. Und auch wenn dieser Kinopalast nicht das einzige Art Deco Kino der Stadt ist, ist es doch das berühmteste.

Hier meine fotografischen Eindrücke vom Paramount Theatre:





Über der Eingangstür leuchtet der Himmel.

Die 18 Meter hohe Eingangshalle ... 


... lässt den Zuschauer ehrfürchtig die Spielstätte betreten.




Wie eine Fontäne sind die Leuchten angeordnet.




Der Hauptgang mit den Türen zum Veranstaltungssaal.






Sofas, Stehlampen, Spiegel, Skulpturen gehören zum Interior.

Mehr als 3000 Zuschauer haben im Hauptsaal und auf den Rängen Platz.


Allein die Wurlitzer-Orgel hat 1931 bereits 20.000 Dollar gekostet.


Die vergoldeten Wände zeigen Motive aus der Bibel und der griechischen Mythologie.



Und natürlich sind auch die Kinosessel entsprechend hübsch.


Das Publikum (im Dunkeln) applaudiert begeistert zum Titelbild.


Auch der Gang zu den Toiletten wirkt majestetisch.


Was für ein schöner Schriftfont fürs WC!


Der Warteraum vor den Damentoiletten ist verspielt.


Der vor den Herrntoiletten etwas klarer.


Aufgang zu den oberen Rängen.


Schicke Sofas und Stehlampen für die Pause.


Der oberere Gang - geziert mit mythologischen Figuren aus Gold.


Schminkraum für die Damen im oberen Stockwerk.


"Ladies".




Der Eingang zu den oberen Toiletten gefällt mir besonders gut!


"Men".


Wieder ein Wartesalon vor dem WC, in dem Mann auch gerne länger auf die Dame wartet.


Blick auf den Ausgang vom oberen Gang.

2 Kommentare:

  1. Wow, das ist ja echt der OBERHAMMER!!!! Das muss ich mir auch unbedingt irgendwann nochmal anschauen. Vielen Dank für die vielen tollen Bilder!!

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  2. Großartig! Da möchte ich auch mal hin. Und der Herr passt auch ganz gut ins Interieur mit seinem Hut. Ak

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