Mittwoch, 6. August 2014

Entdeckung im Silicon Valley

Google, HP, Intel, Apple, eBay, Facebook, Wikipedia - das sind nur die bekanntesten Namen aus dem Silicon Valley, der berühmtesten Hightech-Schmiede der Welt. Und da das Silicon Valley den südlichen Teil der San Francisco Bay Area bildet, wir also quasi nur einen Katzensprung davon entfernt leben, stand es auf unserer To-Do-Ausflugsliste. Mein Mann, der noch zu DDR-Zeiten das Löten lernte und deshalb ein echter Nerd ist, hatte sich zusammen mit unserem Besucher (einem Digital Native, der eine Welt ohne Computer gar nicht mehr kennt) auf die Suche nach Firmen gemacht, die Einblick in ihr sagenumwobenes Schaffen bieten. 

Das waren nicht viele: Google oder Facebook bieten keine Betriebstouren an. Bei Apple kann man lediglich in einem auf dem Gelände liegenden Apple Store einkaufen gehen (aber Achtung: nicht am Wochenende!). Nur bei intel, dem Computerchip-Hersteller, standen die Türen in Form eines PR-Museums offen. Da es eines der älteren Unternehmen im Silicon Valley ist, konnten wir hier auch tatsächlich etwas die Geschichte der Hightech-Industrie verfolgen. Das war unsere erste Anlaufstelle.

Der Beweis: Wir waren hier. Falk vor dem intel-Komplex.

Auch unsere Tochter hatte ihren Spaß mit den Touch-Screens in der Ausstellung.


Schmutzpartikel sind verboten in der Computerchip-Herstellung. Deshalb dieses Outfit.

Das Silicon Valley entstand aufgrund der Initiative der Stanford Universität, die ehemalige Studenten in der Region halten wollte und Programme zur Förderung von jungen Unternehmen ins Leben rief. So gründeten William Hewlett und David Packard mit der Unterstützung ihres Professors Frederick Terman bereits 1939 ihre Elektronikfirma hier. HP wurde das erste große unabhängige High-Tech-Unternehmen der Region. Die US Navy und später die NASA hatten zwar bereits einige Arbeitsplätze in der Region geschaffen, aber 60 Kilometer südlich von San Francisco gab es viel Fläche und deshalb Raum für neue Ideen.

In den 1950ern entstand dann der Stanford Park neben dem Campus, kurz darauf siedelten sich weitere Elektronikfirmen entlang der Autobahn zwischen San Francisco und San Jose an. Hier wurde die Tauglichkeit des hochreinen Halbmetalls Silicium als Halbleiter erforscht, wie man es bis heute in der Mikroelektronik, in Computerchips, Speichern und Transistoren, verwendet. Darauf ist der Name Silicon Valley zurückzuführen, der seit Anfang der 1970er für die Ansammlung von Elektronikfirmen im Santa Clara Tal verwendet wurde. Aber eigentlich liegt das Silicon Valley teilweise gar nicht mehr im Tal, so mussten wir feststellen. Der Begriff wird heute aus Prestige-Gründen sehr gerne und vor allem sehr weitläufig verwendet. Spätestens in den 1980ern war klar, dass das Silicon Valley mit ernsthaften Umweltverschmutzungen umgehen musste, da viele unterirdische Tanks leckten und ätzende Flüssigkeiten ins Grundwasser gelangt waren. Anfang des neuen Jahrtausends beschränkten die Folgen der Dot-com-Blase das wirtschaftliche Wachstum in der Region und auch die Wirtschaftskrise 2008 hinterließ ihre Spuren. Die Investitionen in risikoreiche Geschäftsideen von Start-Ups werden aber inzwischen wieder generös getätigt. Etwas mehr als die Hälfte aller Risikokapital-Investitionen der USA fließen ins Silicon Valley, betrachtet man nur die IT-Branche der gesamten USA, sind es sogar mehr als 85 Prozent.


Ein Mikrochip als Makro-Bild vergrößert.

Zu 99,99999 Prozent reines Silicium wird im Silicon Valley verbaut.

Auf meinen Computern klebte immer der Schriftzug "intel inside", der auf die im Gerät verbauten Prozessoren hinweist. 
Die Firma intel wurde 1968 gegründet und stellte zunächst Arbeitsspeicher her. 1974 entwickelte die Firma den ersten Mikroprozessor weltweit. 1978 brachte intel dann die Mikroprezessoren heraus, die IBM ab 1981 in ihrem ersten Personal Computer (PC) verwendete. Mit der Verbreitung der PCs wuchs das Geschäft in den 1980ern und 1990ern. Meinem Mann entlockte der intel386-Prozessor ein sehnsüchtiges Lächeln, der in seinem eigenen ersten PC steckte und seit 1985 gebaut wurde.


"intel inside" - Mikroprozessoren von intel sind in diesem ersten PC von IBM.

Nach dem Museumsbesuch brachen wir auf und wollten nach einem kurzen Mittagessen bei Apple in Cupertino vorbeischauen. Schon in Santa Clara fanden wir es recht dröge. Die Umgebung zeichnet sich durch extrem breite und vor allem viele Autobahnen und Schnellstraßen aus, an deren Ausfahrten entweder Firmen oder Einkausfkomplexe mit (Schnell-) Restaurants liegen. Die Ortschaften verschmelzen und wirken wie ein einziger riesen großer Vorort von einer Stadt, die es aber nicht gibt. Die Wohngegenden sind meist von Schallmauern umgeben und sehen recht austauschbar aus. Insgesamt sieht man den Orten an, dass sie in den letzten 30 bis 60 Jahren im Akkord aus dem Nichts gestampft wurden. Mich persönlich erinnerten sie sogar an die gesichtslosen Neubauviertel Ostdeutschlands, wo es keinerlei kulturelles Leben gibt, kein Flanieren und Verweilen, wo man nur wohnt und arbeitet. Nur dass hier offensichtlich mehr Geld im Spiel war. 

Trotzdem kommen immer neue Arbeitswillige her, darunter vor allem viele (gut ausgebildete) Inder und Chinesen. Deshalb wachsen die Städte weiter im Akkord. Der Anreiz ist verlockend, denn das Einkommen im Silicon Valley war 2011 im Schnitt 62 bis 92 Prozent höher als im US-Landesdurchschnitt und damit das mit Abstand höchste in Kalifornien. Außer in San Francisco natürlich, wo es viele Neu-Reiche aus dem Santa Clara Tal hinzieht. Je nach Zählweise arbeiten im Silicon Valley allein in der High-Tech-Branche rund 500.000 Angestellte, es leben hier circa 3,5 Millionen Menschen (das ist bereits die Hälfte aller Einwohner der gesamten San Francisco Bay Area!).

Der Umsatz, den die High-Tech-Branche des Silicon Valleys im Jahr macht, ist beträchtlich. Im April 2014 wurde eine Studie veröffentlicht, die klarmacht, dass Apple dabei am meisten absahnt: 2013 machte das Unternehmen 174 Milliarden US-Dollar Umsatz, mehr als HP (mit 112 Milliarden) und Google (mit 60 Milliarden) zusammen. Damit erwirtschaftete Apple 37 Milliarden US Dollar Gewinn, mehr als die Firmen auf Platz zwei bis fünf gemeinsam! Außerdem ist Apple mit über 478 Milliarden Dollar die als wertvollste bewertete Firma weltweit. Als wir schließlich im Infinite Loop 1, vor Apples Hauptquartier, standen, konnten wir sehen, warum: Da strömten im Minutentakt Besucher an, die alle ein Foto vom Hauptgebäude schossen (so wie wir) und dann ratlos vor dem verschlossenen Apple-Store standen (ebenfalls wie wir). Die meisten von den Touristen waren technikbegeisterte Asiaten mit ihren i-Phones oder i-Pads. Apple musste sich null anstrengen und keine tolle Museumsshow liefern, und trotzdem zog es hier im Vergleich zu intel Massen an. Das schien uns sinnbildlich für die Aura, die sich um das Unternehmen aufgebaut hat, und durch die Apple im Gegensatz zu anderen Elektronikfirmen so viele Menschen mühelos begeistert. Es gab auch keine Hinweisschilder zum Hauptquartier, deshalb waren wir altmodischen Leute vorher ewig hin- und hergeirrt, nur um enttäuscht zu werden. Denn ja natürlich, wer kein i-Phone mit intergriertem GPS hat, sollte sich eigentlich gar nicht erst hierher trauen!


Auch hier waren wir: Apple-Hauptquartier in Cupertino.

Wir aber mussten feststellen, dass es bei Apple, und auch sonst im Silicon Valley, nichts Spannendes zu sehen gibt. (Später erfuhren wir noch, dass es in San Jose ein allgemeines Technik-Museum gibt, das wir hier aber nicht bewerten können.) Auch die Tatsache, dass es viele Tech-Angestellte nach San Francisco zieht, konnten wir mehr als nachvollziehen. Nur sind sie dort nicht gern gesehen, da sie durch ihr hohes Einkommen die Miet- und Immobilienpreise in die Höhe treiben. Außerdem finanzieren sie weder Museen noch andere kulturelle Einrichtungen, wie das sonst in den USA von Reichen gemacht wird. Das als Gentrifizierung bekannte Problem ist großer Gesprächsstoff in der City und viele Künstler haben Angst um ihre Existenz.

Unsere Entdeckung, dass es es im Silicon Valley nichts zu entdecken gibt, war trotzdem lehrreich. Wir machten uns schließlich mit einem Abstecher bei der privaten Stanford Universität zurück auf den Heimweg. Hier hatten die Väter des Silicon Valleys gewirkt, und vielleicht hätten wir zuerst hierher kommen sollen, denn die Atmosphäre, die Universitätskirche und auch das (kostenlose) Kunstmuseum sind einen Besuch wert. Letztere Zwei waren nur leider schon geschlossen.



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