Montag, 18. August 2014

Sommerloch oder Amazon-Boykott

Während mich aus Deutschland Nachrichten über sommerliche Temperaturen erreichen, sinken meine Leserzahlen. Überall Ferienstimmung, nehme ich an. Und eigentlich wollte ich auch schon längst einen Artikel über Tiere veröffentlichen, denn Eisbären und ähnliches kurbeln die Leserzaheln an, oder?! Aber dann bin ich selber ins Sommerloch gefallen: Seit gefühlt einer Ewigkeit habe ich wieder einmal gelesen. Einen Roman von einer heiß diskutierten Newcomerin in den USA. "California" von Edan Lepucki. Rein zufällig ist Edan die Mutter von Helenes Daycare-Freund Bean.

Inzwischen nehme ich es schon fast selbstverständlich, dass die Leute, die wir hier in Berkeley so kennen lernen, alle Traumjobs haben. Allein unter den Müttern von Helenes Tagesbetreuung sind zwei "Novelists" (Romanautorinnen), eine Professorin für "Food Science" (Wissenschaft vom Essen) und eine Weinverkosterin (die macht das hauptberuflich für Restaurants, ist das nicht ein schönes Leben!?). Natürlich gibt es auch andere, mit ganz normalen Berufen, aber die Häufung der außergewöhnlichen ist schon markant!

Nun hat mir Edan neulich freudig erzählt, dass ihr Roman ins Deutsche übersetzt wird. Ich witterte eine Chance für ein Interview mit der Autorin, dass kein anderer deutscher Journalist im nächsten Frühjahr anbieten kann, und habe das erste Kapitel ihres Romans online gelesen. Und da ich das wirklich gut fand, habe ich nach dem Interview gefragt (das steht noch aus, ist aber schon geplant). Nun wurde es aber erst richtig interessant! Edan hat nämlich als unbekannte Autorin im Lotto gewonnen - so jedenfalls muss es sich anfühlen. 

Denn der Comedian Stephen Colbert empfahl in seiner TV-Show ihr Buch. In seinem persönlichen Kampf gegen Amazon. Das war im Juni, kurz bevor ihr Buch veröffentlicht werden sollte. Colbert erklärte, dass die Zahl der Vorbestellungen auf ein noch nicht erschienenes Buch ausschlaggebend sind im amerikanischen Büchermarkt für den Erfolg desselbigen. Wenn nun aber Amazon bestimmte Bücher nicht anbietet oder seine Lieferung von Neuerscheinungen mit Absicht um drei Wochen verzögert, ist das der Tod eines kleinen unbekannten Autors. Zudem gibt es auf Bücher in den USA keine Preisbindung und Amazon kann es sich leisten, die Bücher viel günstiger als im Laden anzubieten, woran natürlich auch der Autor weniger verdient. Deshalb bewarb Colbert "California" und forderte seine Fangemeinde auf, das Buch auf seiner Internetseite vorzubestellen und somit Amazon zu boykottieren. Er wollte damit beweisen, dass er mehr Bücher verkaufen kann als der Internetriese. Das schlug bei den Hipstern, die Newcomer-Autoren und kleine Verlage unterstützen wollen, ein wie eine Bombe! Der Verlag ließ 60.000 satt 12.000 Exemplare drucken und das Buch rutschte in Kürze auf den dritten Platz der New York Times Bestsellerliste. (Aus "Rache" bot Amazon den Roman eine Zeit lang für 16 Dollar an, statt den 26 im Laden.) Nun jettet Edan durch die Staaten, um vor ihren Fans Lesungen zu halten. Einen Wikipedia-Eintrag hat ihr Buch natürlich auch längst. Der Amerikanische Traum schlechthin.

Deshalb habe ich mich in der letzten Woche in mein Bett vergraben, wenn es neblig war, und in die Hängematte gelegt, wenn die Sonne schien - und fast 400 Seiten Englisch gelesen! Die Geschichte handelt von einem Ehepaar während der Post-Apokalypse, vom Zurück-aufs-Land aus Zwang und nicht weil es hip ist, sein eigenes Gemüse anzubauen. Es geht um Vertrauen und die Treue einer Ehe, die nicht mehr ganz neu ist, alles vor dem Hintergrund einer katastrophalen Welt. Ich werde Euch Bescheid geben, wenn "California" auf Deutsch erscheint.

Nur Eines ist für mich hinzuzufügen: So edel der Kampf gegen Amazon sein mag, das als Hauptkonkurrent kleine (Buch-) Läden vom Markt schupst und das Schicksal der Autoren so enorm mitbestimmt: Ich war heilfroh, dass ich in der Neuen Welt auf diesen Internetriesen zurückgreifen konnte! Denn während ich mir Berkeley und seine Ressourcen erst mühsam erschließen musste, hat Amazon mir die Kinderschuhe direkt vor die Haustür geliefert. Außerdem konnte ich mit meiner deutschen Kreditkarte in Euro bezahlen (und sparte somit die Umrechnungsgebühr). Es dauerte ein halbes Jahr bis ich so einigermaßen herausgefunden hatte, welche Produkte ich wo günstig und nicht völlig überteuert kaufen konnte. Amazon hat diese Zeit überbrückt. Auch die Großen sind nicht nicht nur schlecht, das habe ich daraus gelernt. 

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