Montag, 11. August 2014

University of California, Berkeley


Wahrzeichen: Der Campanile  ist der dritthöchste Glockenturm weltweit.

Nachdem mein Mann langsam, aber sicher sauer auf mich ist, weil ich immer noch nichts über seine Arbeitsstätte, die University of California (UC) in Berkeley, geschrieben habe, muss ich das schleunigst nachholen. Meine Fotos liegen auch schon seit geraumer Zeit in der Schublade (bzw. auf dem Server), aber die Ehrfurcht vor der geschichtsträchtigen, wenn auch noch gar nicht so alten Bildungseinrichtung an der Westküste Amerikas, hat in mir eine Schreibblockade ausgelöst. Trotzdem versuche ich, das Wichtigste über "Cal", wie die Uni bis heute abgekürzt genannt wird, zusammen zu fassen.

Die UC Berkeley ist der älteste Campus der University of California, die heute zehn Standorte umfasst. Sie wurde 1868 gegründet. 72 Nobelpreisträger sind mit der Eliteuni verbunden, das sind heutige und ehemalige Mitarbeiter sowie ehemalige Studenten. In den Bereichen der Naturwissenschaften und Forschung gehört Berkeley zur Weltspitze: Die UC Berkeley ist bekannt für herausragende Leistungen in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sowie in den Wirtschaftswissenschaften. Im Shanghai-Ranking aller Universitäten weltweit, das besonders gern in Deutschland zitiert wird, belegt Cal in diesen Fächern im Durchschnitt den dritten Platz. Dabei konkurriert die Universität mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), Harvard und der nahe gelegenen Stanford University - allesamt Privatunis mit entsprechendem Geldfluss.


Parkplatz-Schild: "Reserviert für Nobelpreisträger". Das ist kein Witz!
Es gibt einige solcher Schilder auf dem Campus und da parken auch tatsächlich Autos.

Die UC Berkeley ist dagegen eine öffentliche Universität, wird also zum größten Teil vom Bundesstaat Kalifornien finanziert. Kalifornien gibt im Vergleich zu den restlichen USA viel Geld für Bildung aus, nämlich rund 30 Prozent seines Budgets. Damit ist Bildung auch der höchste Posten von Bundesstaat und Kommunen. Cal finanziert sich zusätzlich von den Erträgen des gut drei Milliarden hohen Stiftungsvermögens und natürlich den Studiengebühren, die überall in den USA üblich sind. Rund 36.000 Studenten sind derzeit eingeschrieben, aber es könnten fünf Mal so viele sein, würden alle Bewerber zugelassen. Dabei kostet ein Studium in Berkeley trotzdem immer noch viel Geld: Ein Kalifornier bezahlt hier circa 5.000 Dollar Studiengebühren im Semester, ein nichtkalifornischer Student drei Mal so viel.  (Zum Vergleich: An privaten amerikanischen Eliteuniversitäten kostet ein Studium pro Semester schnell mal 30.000 Dollar.) 

Ausgelöst vor allem durch die Finanzkrise zieht sich der Bundesstaat aber stark aus der Finanzierung der öffentlichen Universitäten zurück, was mein Mann vor allem an der vergleichsweise dürftigen Ausstattung der Uni selbst erfahren hat. So stehen den Wissenschaftlern zum Beispiel keine eigenen Telefone zur Verfügung, die Computer müssen sie selbst bezahlen und die Professoren leisten sich keine Sekretärinnen. Dagegen wirbt die Uni Berkeley energisch für nichtkalifornische Studenten und lockt vor allem Ausländer an. Wenn man über den Campus spaziert, fallen vor allem die vielen Asiaten auf. Asiatische Amerikaner sind ausnahmslos die größte Gruppe unter den Studenten im Grundstudium (fast 40 Prozent), dazu kommen 13 Prozent internationale Studenten, unter denen ebenfalls viele Asiaten sind. Das lässt erahnen, dass sich die kulturelle Bedeutung der Universität langsam verschiebt. 

Die UC Berkeley ist nicht nur in den Naturwissenschaften herausragend, sondern auch im (linken) sozialen Engagement seiner Studenten. Im kollektiven amerikanischen Gedächtnis stehen Cal und die Stadt Berkeley für unamerikanische Liberale, Gras rauchende Hippies und verbissene Feministinnen. Tatsächlich trat das Free Speech Movement vor genau 50 Jahren hier in Berkeley für Meinungsfreiheit sowie freie Forschung ein und war ein Vorläufer der 1968er Studentenproteste in Europa. Während der Studentenproteste im Herbst 1964 gab es handgreifliche Auseinandersetzungen mit der Polizei, Besetzungen von Unigebäuden und die größte Massenverhaftung in der Geschichte Kaliforniens. Zentraler Sammelplatz der Proteste war das Südtor des Campus (Sather Tower), der zur Telegraph Street führt. Dort finden bis heute Demonstrationen statt und Studenten werben für Engagement in den vielfältigsten Bereichen. Nur sind es natürlich nicht annähernd so viele wie in den 1960ern. Als sich die Wogen um die Herbstunruhen von '64 gelegt hatten, begannen 1965 die Anti-Vietnam-Proteste. Die Studenten des Free Speech Movements sozalisierten sich auch mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA, sie traten für Frauenrechte ein und die Rechte behinderter Menschen.

Das Sather Gate unter dem die protestierenden Studenten durchzogen.



Noch heute spürt man diesen liberalen Geist in Berkeley. Die Stadt unterscheidet sich grundlegend vom restlichen Amerika: angefangen bei der Ausstattung öffentlicher Schulen und Bibliotheken, so dass sich auch die bilden können, die nicht so viel Geld haben, bis hin zur Unterstützung Behinderter und Kranker, die es deshalb nach Berkeley zieht. Dass sich Schwule im öffentlichen Leben der Stadt zeigen, ist genauso normal wie die Verhinderung unliebsamer Großketten wie Walmart. Spricht man mit Weißen hier, sind sie gebildet und haben die Welt bereist.

Ich behaupte aber, dass sich die Aktivisten und Hippies von damals inzwischen etabliert haben. Dass viele heute ihr Haus besitzen, ihrem (Traum-) Job nachgehen, sich nicht selten selbstständig gemacht haben und auch ihr Einkommen erzielen, dass sie in dieser inzwischen extrem teuren Gegend leben lässt. Viele Forderungen von damals sind in Berkeley Konsens geworden, sie gelten in Europa und vielen Teilen der USA, man muss nicht mehr dafür kämpfen. Öffentliche Demos in der Stadt (beispielsweise für faire Löhne) werden heute oft von einer handvoll Rentner - den Alt-64ern sozusagen - begangen. Der Geist der Studentenproteste, der Berkeley immer noch nachgesagt wird, ist auf ein Minimum geschrumpft. Vor allem Asiaten sagt man eher Strebsamkeit nach, das Aufmüpfige liegt der Mehrheit der heutigen Studenten vielleicht nicht. Die immer höher werdenden Studiengebühren ermöglichen ein Studium weiterhin vor allem für die Priviligierten. Schwarze sieht man immer noch vergleichsweise selten auf dem Campus.

Trotzdem wirkt die halb auf dem Berg gelegene Universität inspirierend. Die Gebäude, die meist von ehemaligen Studenten finanziert wurden, sind sehr individuell, manche erinnern an britische Architektur, manche an die Antike. Mein Mann liebt den Campus und lernt viele ambitionierte Wissenschaftler kennen, die ihn anspornen. Ich habe mich mit meiner Kamera auf die Suche nach meinen persönlichen UC Berkeley-Highlights gemacht und zeige sie mit diesem Artikel.

Doe Memorial Bibliothek. Ein Zeichen für Berkely als "Athen des Westens".




Im Lesesaal. Foto: F. Gralle.





South Hall, das älteste Gebäude der Uni (von 1873) und mein Favorit.



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