Samstag, 21. Februar 2015

Gebt mir Grünkohl!

In dieser Woche hatte ich eine zweite Sehnsuchtsattacke, in der ich großes Fernweh nach Kalifornien verspürte: Mir wurde plötzlich schlagartig klar, dass die da drüben in manchen Punkten eben doch schneller sind als wir, und es mich größere Mühen kosten wird, das mir dort lieb Gewordene in Deutschland zu organisieren. Genau das ist das richtige Wort! Denn ich kann nicht einfach in den Laden gehen und es kaufen. 

Es geht um Grünkohl.

Was? Ist die völlig bescheuert?!, wird mancher Leser vielleicht denken. Erstens ist nichts deutscher als Grünkohl - allein schon dieser Name! Zweitens, wer isst das schon freiwillig? Da hat man entweder das Bild der Oma im Kopf (kombiniert mit fettigstem Fleisch), oder aber das von anstrengenden Öko-Idealisten (kombiniert mit trockener Getreidebeilage). So ging es mir jedenfalls.

Ich habe aber in Kalifornien ein neues Gemüse kennen gelernt, nämlich "kale". Das klingt gleich nicht mehr so abschreckend! "Kale" ist der Verkaufsschlager im gesundheitsbewussten Sonnen-Staat. Es gibt "kale-kiwi-smoothies", vegetarische "kale-tofu-wraps", salzige "kale-chips" und "kale-salad". Und vor allem: Es gibt eine große Auswahl verschiedener "kale"-Sorten in den Supermärkten. Der mit den rötlichen, eher glatten Blättern hat mir am besten geschmeckt, "russian kale". Aber hier suche ich vergebens nach einer anderen Sorte Grünkohl, als der krausen, grünen, denn es gibt nur diese eine. Wer es besser weiß, meldet sich bitte umgehend bei mir und nennt mir den Dealer!

Denn wie sehr ich "kale" und seine amerikanischen Zubereitungsvarianten vermissen würde, habe ich erst begriffen, als ich noch einmal auf Deutsch die tollen Eigenschaften des Grünkohls recherchierte: Der ist nämlich das beste, weil extrem nährstoffreiches, Gemüse, das man sich nur vorstellen kann! Grünkohl liefert nicht nur sehr viele Vitamine, Mineralstoffe wie Eisen und Proteine (auf deren Einnahme selbst amerikanische Kinderärzte gesteigerten Wert legen), sondern wirkt auch entzündungshemmend und antioxidativ. Und von allen diesen guten Eigenschaften hat diese Kohlsorte besonders viel. Etwas Grünkohl verspricht also eine große Wirkung! Genau das Richtige, um in einer auf maximale Leistung trainierten Gesellschaft gut anzukommen.

Grünkohl gilt unter Ernährungswissenschaftlern als die vorbeugende Maßnahme gegen Krebs (bei gleichzeitig weniger Fleischverzehr) und entzündungsbedingten Krankheiten wie rheumatischer Arthritis. Das besonders ballaststoffreiche Gemüse senkt obendrein den Cholesterin-Spiegel und stärkt das Herz-Kreislauf-System. Da dachten sich nicht nur die Amis: Einfach nur Wow! Ich auch. 

In Amerika habe ich ja einen unverkrampften Umgang mit Bio-Läden kennengelernt. Denn, um es mit den Worten meines Mannes zu sagen: "Auch die Bio-Anhänger denken in Amerika verkaufsorientiert. Da dürfen sie eben niemanden ausschließen." Deshalb setzen sie ihre Hemmschwelle extrem niedrig an. Das führt dazu, dass auch Bio-Supermäkte gute Gefühle wecken, optisch ansprechend sind und eine breite Palette an leckeren Snacks und vor Ort gekochten Speisen "to go" anbieten, wobei Grünkohl-Gerichte als Kassenschlager ganz oben stehen. Da macht "organic" sogar richtig Spaß und die Kunden zahlen auch gerne mehr Geld für die teureren Produkte! Im Leipziger Bio-Laden beschleicht mich dagegen immer noch das Gefühl, in die Räume einer eingeschworenen Gemeinde einzudringen, zu der ich nicht dazu gehöre. Die rote Variante des Grünkohls habe ich dort nicht gefunden.

Aber zum Glück habe ich eine Freundin, die in Kalifornien lebt, und quasi an der Quelle sitzt! Ich habe ein paar Samen bestellt, um die Grünkohl-Zucht auf meinem Balkon zu starten. Da wandert nun der "russian-kale" von Rußland nach Amerika und zurück nach Europa. Ich kann die Aussaat kaum erwarten! Und auch wenn dies hier niemals ein Mutti-Koch-Blog werden sollte, werde ich bei erfolgreicher Ernte auch Rezepte verraten. Dazu bin ich einfach zu begeistert! (Und da ich blöderweise das "kale"-Regal im Supermarkt nie fotografiert habe, kann ich die Bilder auch erst nach meinem Garten-Experiment nachreichen.)

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