Die
letzten Monate waren eine Zitterpartie: Bekommen wir das Visum für
die USA oder nicht? Eigentlich fehlte uns vor allem die Bestätigung
der University of California in Berkeley. Dank des Government
Shutdowns im letzten Herbst, weswegen alle öffentlichen
Einrichtungen geschlossen wurden, hinkte die Uni-Bürokratie deutlich
hinterher. Kurz vor Weihnachten, immerhin sechs Wochen vor unserer
geplanten Reise, kam dann endlich das lang ersehnte Dokument: Mit
falschem Datum. Also alles wieder auf Anfang. Das nächste Mal
beeilten sich die zuständigen Mitarbeiter etwas mehr. Und zwischen
den Jahren konnten wir das Visum dann beantragen.
Gemeinhin
gelten die USA als Einwanderungsland. Unsere Erfahrung lehrte uns,
dass das nicht an den einfachen Einwanderungsbestimmungen liegen
kann. Die Schwierigkeiten bestanden nicht nur darin, das richtige
Passbildformat einzureichen (digital UND in Papierform!) oder an den
hohen Gebühren, die an verschiedene Stellen zu entrichten waren,
sondern vor allem im so genannten Visa Interview. Termine werden
grundsätzlich nur morgens um acht vergeben und natürlich nur in
Berlin, Frankfurt am Main oder München.
Wir
starteten also in einen erzwungenen Kurzurlaub nach Berlin (das war
natürlich der nette Teil an der Geschichte). Allerdings war die
Nacht kurz, da eine Zweijährige in einer fremden Wohnung, die zudem
spürt, dass ihre Eltern aufgeregt sind, kaum schläft. Dann standen
wir im Regen vor der Amerikanischen Botschaft und warteten. Die
Terminvergabe war reine pro forma Sache, hier wartete eine ganze
Traube von Menschen im Regen, die alle morgens um Acht bestellt
worden waren. Als wir endlich in die Botschaft durften, wurden uns Werbefilme
über die USA gezeigt, auf denen auch die Golden Gate Bridge zu sehen
war. Wir fragten uns allerdings, wen diese Filme erreichen sollten,
denn alle, die hier saßen, hatten ja bereits wie wir ein Visum
beantragt! Aber zurück zum Thema: Nach stundenlanger Warterei wurden
wir zwei (und wirklich nur zwei!) Minuten befragt: Herr Heße, Sie
sind Wissenschaftler? Was forschen Sie?
Mein
Mann versuchte so einfach wie möglich zu antworten: Im Bereich
Grundwassersanierung, Umwelttechnik.
Der
Beamte, der im früheren Beruf Entertainer gewesen sein muss und uns
mit seiner lauten Stimme und seinen auffallenden Lachsalven schon
während der Warterei unterhalten hatte, wusste, dass Wasser in
Kalifornien ein Großes Ding war. Und auch, dass es dort keinen
Winter gab – und schon gar keinen wie in Berlin!
Viel
Spaß in Kalifonien! gab er unserer Familie mit auf den Weg.
Das
war alles? Wir hatten es befürchtet, aber gleichzeitig waren wir
unendlich erleichtert. Jetzt konnten wir endlich, endlich loslegen
und Flüge buchen, eine Wohnung suchen und uns um die vielen kleinen
Details kümmern – wir hatten jetzt noch dreieinhalb Wochen Zeit!
Zum Glück waren wir so weitsichtig gewesen und hatten bereits
Untermieter für unsere eigene Wohnung gefunden. Unheimlich viele
Dinge waren zu beachten, die uns bereits seit mindestens zwei Monaten
beschäftigten: Verträge sind zu kündigen (Achtung bei
undurchsichtigen Handy- und Internetverträgen, die unendlich lange Laufzeiten festlegen!), Gepäckbestimmungen sind zu beachten, Koffer sind clever
zu bestücken mit Gepäck, das man für die nächsten zehn Monate
braucht und und und. Am Ende habe ich beschlossen, nie wieder
auszuwandern, es sei denn, es ist für immer.
Fast
unerschüttlerlich war mein Glaube daran, für uns ein passendes Heim
zu finden. In Berkeleys Elternforum hatte ich schon die beste
Wohngegend ausgemacht. Ich wusste, mein Gott versorgt uns! Bis ich
irgendwann doch daran zweifelte. Am Anfang unserer Wohnungssuche
hatten wir eine schicke Wohnung mit Kinderzimmer und zwei Fahrrädern
inklusive Kinderanhänger gefunden – und das für schlappe 1800
Dollar! Leider konnten wir ja nicht zusagen, da wir nicht wussten, ob
wir auch tatsächlich das Visum bekommen. Aber jetzt, wo wir endlich
einen Vertrag unterschreiben wollten, war das Angebot mau und
natürlich unendlich teuer.
Irgendwann
antwortete ich gefühlt auf jede Anzeige, auch wenn sie nicht unseren
Kriterien entsprach. Wir hatten schließlich kaum noch Zeit. Und
nicht zu wissen, wo wir nach unserer langen Reise schlafen könnten,
machte uns nicht gerade entspannt. Fast waren wir drauf und dran eine
Wohnung in einer schlechten Gegend für viel Geld zu nehmen, nur um
irgendetwas für den Anfang zu haben. Dann antwortete noch Kendra auf
eine meiner Anfragen. Sie war das Geschenk des Himmels, auf das ich
gewartet hatte – sogar besser als ich es mir ausmalen konnte und
gerade noch rechtzeitig: Kendra ist Künstlerin und Mutter von zwei
Töchtern (eine im Alter von Helene). Sie wollte uns unbedingt als
Mieter, hat den Mietpreis gesenkt und ein Kinderzimmer eingerichtet.
Ihre Familie wohnt im selben Haus und unsere Tochter wird das erste
Mal im Leben mit Nachbarskindern spielen können. Aber der Freude
nicht genug: Kendra kauft für uns ein und ihr Mann holt uns mit dem
Auto vom Flughafen ab! Wir kennen diese Leute nicht, aber sie wollen,
dass wir uns wohlfühlen, und können es voll und ganz nachempfinden,
was das Reisen mit Kleinkindern mit sich bringt. Und deshalb helfen
sie uns, wo sie nur können.
Drei
Wochen vor unserer Abreise haben wir die Zusage für die teuerste
Wohnung unseres Lebens (2000 Euro!) erhalten, aber sie hat so viele
Pluspunkte, dass uns jetzt nichts mehr Erschüttern kann. Zum ersten
Mal denke ich, dass das Leben in Kalifonien für mich ein Aufatmen
bedeuten kann, ein Willkommen-Sein. Ich werde nicht nur viele
Eindrücke sammeln, nicht nur mitreisende Wissenschaftler-Gattin
sein, sondern vielleicht kann ich neue Freunde finden und etwas von
mir weiterschenken. Ich bin bereit für den Abflug.
Foto: S. Häcker |
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