Beim Stöbern in alten Entwürfen bin ich auf den folgenden Blogeintrag gestoßen. In unserer Zeit in Kalifornien, kam ich nicht dazu, den Text zu beenden - möchte aber gerne die Fotos und den Gedankenanstoß weitergeben. Sie entstanden nach einem Essen im berühmten San Franciscoer Mels Drive-In.
Am großen Wahltag 2020 blicke ich noch einmal ganz anders zurück auf dieses Bild, was ich selbst lange von den USA hatte: Die heile Welt Amerikas in den 1950ern. Das Jahrzehnt wurde im kollektiven Gedächtnis der (weißen) Amerikaner als gute, alte Zeit gespeichert. Es war die Zeit vor den Rassenunruhen, vor dem Vietnam-Krieg, vor der Hippie-Bewegung, kurz: bevor es Probleme gab. Als weltweit stärkste Wirtschaftsmacht exportierten die Vereinigten Staaten vor allem auch aufpolierte Werbebilder, die selbst uns Europäer prägten: glückliche Hausfrauen in einer blinkenden Küche, lächelnde Kinder mit Schokoriegeln, technische Errungenschaften wie Wäschetrockner, Mikrowelle oder auch die Jukebox.
Dieses Bild hat sich auch sehr tief in mein Gedächtnis eingeprägt - hauptsächlich gespeist aus Filmen, besonders Kinderfilmen, die ich vor allem nach 1989 gesehen hatte. Schon bei meinem ersten Besuch 2004 in den Vereinigten Staaten war ich dann sehr erstaunt: Oberflächlich betrachtet sah vieles wirklich so aus, wie ich es aus Filmen kannte, etwa die Vorortsiedlungen mit dem grünen Gras vor den schönen Einfamilienhäusern oder die Freiheitsstatue in New York.
Anderseits gibt es diese heile Welt "Amerika" nicht, in der es jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schafft und die Hausfrau immer glücklich lächelt. Spätestens in Kalifornien 2014 habe ich doch einiges gelernt über die Ungleichverteilung des Geldes, habe Menschen betteln sehen, wie ich es nur aus den ärmsten Ländern Europas kannte. Ich sprach mit Menschen, die mir von der Unerbittlichkeit des Jobmarktes erzählten, vom Druck zum Erfolg und davon, dass man sofort in Armut stürzen kann, wenn mal eine höhere Krankenhausrechnung fällig wird.
Ich merkte schnell, dass es dieses "Amerika", in dem hauptsächlich weiße Protagonisten mitspielen, gar nicht gibt. Ich recherchierte über die demografische Entwicklung und las Prognosen, die besagen, das in nicht allzu ferner Zukunft die meisten Kalifornier lateinamerikanischer Abstammung sein werden, weil es in diesen Familien mehr Kinder gibt usw.
Und trotzdem gehört ein Essen im Diner unbedingt zu dem, was man in den USA machen muss. Natürlich erinnert alles dort an einen Film, an das Bild, das wir von Amerika auch hier bei uns in Europa haben: Vielleicht kommt Elvis gleich um die Ecke?! Und da ich eine Schwäche für Retro-Chic habe, habe ich mich auf die ganze Unternehmung natürlich sehr gefreut!
Hier kommen meine fotografischen Erinnerungen:
Mels Drive-In in San Francisco, der gar kein Drive-In ist. |
Im Retro-Chick sind die 50iger Jahre neu aufpoliert, aber weniger ehrlich. |
Die Milchshakes in Mels waren dickflüssig und süß, wie sie sein müssen. |
Heutzutage sind selbst die Jukeboxen digitalisiert. Schade. |
Der Film "American Graffiti" aus den 1970ern spielte im ersten Mels und verankerte Drive-Ins im popkulturellen Gedächtnis der Amerikaner. |